Schwaben-Sumpf
Schwäbisch Gmünd telefoniert und diese ihm bestätigt haben, dass in den nächsten Tagen ein Video veröffentlicht wird, das ihn als Auftraggeber von Kindersoldaten und jugendlichen und erwachsenen Arbeitssklaven entlarvt. Direkt im Anschluss an dieses Gespräch flirtet er also eine Stunde lang mit der Frau seines Chefs und gibt danach sofort wieder in Schwäbisch Gmünd Bescheid, dass er bereit sei, sich das Band anzusehen und darüber zu reden.«
»Das stinkt zum Himmel. Heimpold musste klar gewesen sein, dass ihn diese Veröffentlichung ruinieren wird. Nie und nimmer hätte er in der Situation Lust und Laune auf einen Flirt mit wem auch immer gehabt.«
»Das alles noch dazu an dem Tag, an dem seine einzige Tochter beerdigt wurde. Seine Sekretärin bezeichnete seinen Zustand an diesem Mittag als sehr aufgeregt, was mir nachvollziehbar erscheint. Und in dem Moment setzt er sich neunundfünfzig Minuten ans Telefon und flirtet.«
»Die Lüge ist zu offensichtlich«, meinte Ann-Katrin Räuber, »ich kann mir nicht vorstellen, dass die vor Gericht Bestand hat.«
»Die Sache ist nicht so einfach«, widersprach Neundorf. »Frau Meck ist bereit, den angeblichen Flirt zu beeiden.«
»Du hast mit ihr gesprochen?«
»Ich bestand trotz Kochs Widerspruch auf einem Gespräch mit ihr. Meck holte sie, stellte sie mir vor. Sie sagte es mir ins Gesicht, ohne mit der Wimper zu zucken.«
»Wie alt ist die Frau?«
»Ich schätze sie auf Anfang sechzig. Gut aufgemacht und gepflegt, ohne Zweifel. Aber mindestens fünfzehn Jahre älter als Heimpold.«
»Ein Ding der Unmöglichkeit.«
»Du hast recht«, bestätigte Neundorf. »Wir wissen doch, wie Männer funktionieren. Junges Fleisch, schon kocht ihr Blut. Altes Fleisch, tote Hose.« Sie warf einen Blick über ihre beiden Begleiter, winkte mit der Hand ab. »Trotzdem hilft es mir nicht weiter. Die Beweise fehlen, ganz einfach.«
»Was ist mit den Geschäftsunterlagen dieser Afrimport?«
»Die geben nichts her. Von Kindersoldaten oder Sklavenarbeit ist nirgends die Rede. Wozu auch? Der Einsatz von Arbeitssklaven und Kindersoldaten bildet die Arbeitsgrundlage der Firma. Wie sonst könnten die so einfach so hohe Gewinne einfahren? Dass sie diesen Tatbestand aber lieber für sich behalten, ist logisch. Wozu kriminelle Praktiken in die Öffentlichkeit tragen, wenn sie sich still und heimlich unangefochten realisieren lassen? Wir werden nichts finden, unser ganzer Aufwand ist umsonst.«
»Aber Meck saß doch nicht selbst in dem Auto in Schwäbisch Gmünd », warf Braig ein.
»Dafür gibt es andere Leute.«
»Die Kollegen wissen nichts über einen Auftragskiller?«
»Null. Totales Schweigen.«
»Das ist seltsam. Aber dass dieser Meck sich selbst die Hände schmutzig macht – nein, das ist in diesen Kreisen nicht üblich.« Er hörte die Ansage des Lokführers, dass der Zug nach Böblingen einfuhr, schwieg einen Moment. »Ich kann mir nicht vorstellen, dass du gegen den eine Chance hast. Das ist doch einer der übelsten Strippenzieher, der seit Jahrzehnten die Interessen der großen Konzerne eiskalt in der Politik durchboxt. Gibt es irgendeinen in der Staatspartei, der ernsthaft gegen den Kerl oder seine Handlanger aufzumucken wagt? Seit ich denken kann, taucht alle paar Wochen sein Name mit immer neuen Forderungen nach irgendwelchen angeblich ach so wichtigen Investitionen, Neuerungen oder Steuernachlässen auf. Mal ist es hier eine neue Straße, die gebaut werden soll, mal dort ein neuer Autobahnabschnitt. Die Bevölkerung schrumpft zwar, und der Verkehr geht aufgrund der steigenden Kraftstoffpreise deutlich zurück, aber das interessiert nicht. Entscheidend sind allein die Gewinne, die den Konzernen winken. Vor Jahren erklärten er und seine Bande die Errichtung der neuen Landesmesse gegen den Widerstand der gesamten Bevölkerung für unabdingbar, jetzt den Bau eines neuen Bahnhofs in Stuttgart, für mehrere Milliarden Euro und gegen den Widerstand der Mehrheit der Bevölkerung. Aber so absurd diese Forderungen und so minimal der Nutzen auch sind, die setzen sich immer durch. Einfach hartnäckig alle Parolen wiederkäuen und die richtigen Leute schmieren, und irgendwann sind die richtigen Mehrheiten da. Die Firmen seiner Helfershelfer erhalten die Aufträge und streichen die Gewinne ein, die Kosten tragen die Steuerzahler, denn alles wird natürlich mit öffentlichen Geldern bezahlt. Im Grunde handelt es sich um organisierte Plünderung der Staatskasse zugunsten einiger
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