Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schwaben-Wahn

Schwaben-Wahn

Titel: Schwaben-Wahn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Wanninger
Vom Netzwerk:
Backnang am Krankenhaus? Dort, wo ...« Er sprach den Satz nicht zu Ende, wollte sie nicht an die schlimme Zeit erinnern.
    »Genau dort«, antwortete sie.
    Drei Jahre war es jetzt her. Ann-Katrin und er waren auf den Spuren eines mehrfachen Mörders in die Backnanger Innenstadt beordert worden, dort auf den Mann und seinen Komplizen gestoßen. Mitten in ihrem Versuch, ihn festzunehmen, hatte der Verbrecher eine Pistole gezogen und aus nächster Nähe auf Ann-Katrin geschossen, war dann aber von Braig niedergestreckt worden. Nur der sofortige Transport ins nahe gelegene Backnanger Krankenhaus und der vorbildliche Einsatz der Ärzte und Schwestern hatten Ann-Katrins Leben gerettet. Nie und nimmer würde Braig die Stunden vergessen, die er dort voller Angst um das Leben seiner jungen Kollegin zugebracht hatte. Wochenlang war er nach Dienstschluss nach Backnang gefahren und hatte sie an ihrem Krankenbett besucht – der Anfang ihres gemeinsamen Lebens.
    »Um was geht es bei der Demonstration?«, fragte er.
    »Ich weiß es nicht«, sagte sie, »ich wollte dir nur Bescheid geben, damit du dir keine Sorgen machst.«
    Sie beendeten das Gespräch, weil sie sich beeilen musste, versprachen, bald wieder von sich hören zu lassen.
    Braig stellte sein Fahrzeug im Breuninger-Parkhaus ab, passierte die Markthalle. Menschen in luftiger Kleidung flanierten durch die Fußgängerzone, Jugendliche flitzten auf Inlineskatern dem Schlossplatz zu. Er trug seine Jacke über dem Arm, lief am Schillerdenkmal vorbei direkt auf die Alte Kanzlei zu.
    Das Restaurant war wie immer gut besetzt. Braig nahm an einem der Tische unweit des Haupteingangs Platz, den Blick auf die ankommenden Gäste gerichtet. Er musste nicht lange warten, erkannte den Unternehmer sofort. Sein Bild war oft genug in der Zeitung zu sehen. Wangbiehler war Mitte fünfzig, trug einen anthrazitfarbenen Anzug, dazu ein weißes Hemd mit dezent bordeaux-getönter Krawatte. Braig erhob sich, winkte ihm zu, sah, dass er sofort reagierte.
    »Sie sind pünktlich«, eröffnete Wangbiehler das Gespräch. Er war von mittelgroßer Statur, hatte kurze, rabenschwarze Haare.
    Braig gab ihm die Hand, wies auf den Tisch. »Sind Sie mit meiner Platzwahl einverstanden?«
    Der Unternehmer winkte jovial ab. »Ich bin mit allem einverstanden, wenn es nur schnell geht. Sie wissen, ich habe einen wichtigen Termin.« Er zog sich einen Stuhl heran, setzte sich, lockerte seinen Kragen, strich die Krawatte zurecht. Bevor Braig zu einer Frage ansetzen konnte, nahm er das Wort. »Mein Sohn Johannes«, erklärte er, schaute dem Kommissar direkt in die Augen, »hat seinen Weg noch nicht gefunden.« Wangbiehler sprach langsam und deutlich, formulierte seine Aussage so wohlüberlegt, als präsentiere er sich einem großen Publikum.
    Braig konnte nicht umhin festzustellen, dass seine Stimme von einem sonoren wohlklingenden Grundton geprägt war, der ihm eine angenehme, fast sympathische Ausstrahlung verlieh. Er betrachtete die Körperhaltung, ließ seine Blicke über die trotz der hochsommerlichen Temperaturen akkurat sitzende Kleidung des Mannes schweifen, wartete auf weitere Erklärungen. Sein Schweigen schien Wangbiehler einen Augenblick lang zu irritieren.
    »Sie kommen wegen Johannes, das ist der Punkt?«
    Braig ließ sich Zeit mit einer Antwort, nickte nur andeutungsweise mit dem Kopf.
    »Man hat, so sehr man sich bemüht, nicht immer alles im Griff«, fuhr der Unternehmer fort.
    Die Bedienung trat an den Tisch, nahm Wangbiehlers Wunsch, ein stilles Wasser, entgegen. Braig bestellte einen Kaffee.
    »Würden Sie mir das bitte genauer erklären?«, fragte er.
    »Kinder sind individuelle Persönlichkeiten wie Sie und ich«, erklärte der Mann, »keine Maschinen oder Roboter, wie wir das manchmal gerne hätten.«
    Braig beobachtete sein Gegenüber, wartete auf eine Fortsetzung.
    »Individuen lassen sich nicht so einfach steuern oder programmieren.« Wangbiehler beugte sich zur Seite, machte der Bedienung Platz, die ein Glas Wasser vor ihm auf einer Unterlage abstellte und dann Braig den Kaffee zuschob.
    »So ist das auch mit meinem Sohn«, ergänzte der Mann, blickte Verständnis-heischend über den Tisch, »eine eigenständige Person. In jeder Beziehung.«
    Braig spürte, dass seine Abneigung gegen seinen Gesprächspartner die anfängliche Sympathie langsam, aber stetig verdrängte. Ihm kam es vor, als plappere der Mann ohne Unterlass auswendig gelernte Floskeln vor sich hin, ähnlich einem Papagei, der

Weitere Kostenlose Bücher