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Schwaben-Wut

Schwaben-Wut

Titel: Schwaben-Wut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Wanninger
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verschlossenen Flasche zurück.
    »Dann hat der Teufel keine Macht mehr über dich.«
    Er konnte es kaum fassen, mit welcher Begeisterung sie ihm die kleine Flasche in die Hand drückte. Seine ständig depressive, von Eifersucht und Neidgefühlen geplagte Mutter mit einem Elan, einer Energie, neuer Kraft, die er seit langem nicht mehr an ihr erlebt hatte. Vielleicht auf ihrer gemeinsamen Fahrt nach Hamburg, während der Tage, als sie im Norden waren. Aber kurz darauf, wenige Wochen später, war sie wieder in den alten Trott verfallen, die bekannte griesgrämig-unzufriedene Stimmung zurückgekehrt.
    Jetzt aber leuchteten ihre Augen. »Das Gnadenwasser, extra für dich.«
    Sie stellte die kleine Flasche neben die Statue auf den Tisch, holte ein Glas aus der Vitrine, öffnete vorsichtig den Verschluss der Flasche, schenkte den Rest des Inhalts aus. Die Flüssigkeit bedeckte den Boden des Glases kaum mehr als zwei Finger dick.
    »Von der Mutter Gottes geweiht«, erklärte sie, als sie ihm das Glas reichte.
    Er war immer noch fassungslos über den Fanatismus in ihren Augen, in ihrer Miene, ihrem ganzen Körper. Sie hielt sich kerzengerade, stand aufrecht vor ihm, hatte alle die Beschwerden, die ihren Leib bisher auch nach außen sichtbar niedergedrückt hatten, verloren.
    »Für dich, mein Sohn.«
    Er roch an dem Glas, konnte den Ekel vor der klaren Flüssigkeit nicht unterdrücken. Durch wie viele Hände, durch welche verschmutzten Leitungen oder Behälter das Wunderwasser schon geflossen war, er wollte es nicht wissen.
    »Komm, nimm es.«
    Er hielt das Glas in der Hand, nickte ihr versöhnlich zu. »Danke, vielen Dank. Nachher, ja?« Er hatte Mühe, sie zu vertrösten, den Moment, in dem er sich mit dem Zaubertrank von satanischen Einflüssen befreien würde hinauszuzögern. Zum Glück hatte er ihr Blumen mitgebracht. Er schüttete das Wasser in die Blumenvase, als sie in der Küche beschäftigt war, imitierte ein auffälliges Schlucken, als sie zurückkam. Dankbar reichte er ihr das leere Glas.
    »Die Mutter Gottes schützt uns jetzt beide«, erklärte sie wieder.
    Später, als er im Zug nach Stuttgart saß, plagte ihn der Gedanke, dass seine Mutter, ohne es zu wissen, in eine üble Sekte geraten war, die ihr scheinbar einen neuen Lebenssinn, in Wirklichkeit aber nur realitätsverzerrende Vorstellungen und zusätzliche Abhängigkeiten gebracht hatte. Er musste sich, sobald er Zeit fand, erkundigen, was es mit der Verehrung dieser angeblichen Mutter Gottes konkret auf sich hatte.
    Das Läuten des Handys riss Braig aus seinen Gedanken. Erstaunt schaute er auf die Uhr, bemerkte, dass es kurz vor Mitternacht war. Bernhard Söhnle war am anderen Ende.
    »Ich weiß, wie spät es ist. Tut mir leid.«
    »Was ist los?«, fragte Braig.
    »Schon wieder ein neuer Mord«, antwortete Söhnle, »aber ich kann dir nicht viel erzählen, mich haben sie eben gerade aus den Federn geholt. Du bist noch auf?«
    Braig schilderte seine Situation, wartete auf eine Erklärung.
    »Vor dem Favoriteschlössle in Ludwigsburg, vor zwanzig Minuten etwa. Eine Funkstreife ist dort. Das Opfer wurde erschossen, anschließend auf ihn eingeschlagen. Du verstehst, was das bedeuten kann?«
    Braig seufzte so laut, dass Söhnle es hören konnte.
    »Genau. Zumal drei Zeugen bestätigen, dass ein blonder Mann flüchtete.«
    »Wer ist das Opfer?«
    Der Zug fuhr in den Stuttgarter Hauptbahnhof, als Söhnle weiter sprach.
    »Keine Ahnung. Ich habe es nicht verstanden, aber angeblich konnten die einen Täter überwältigen.«
    »Stecher?«
    »Ich weiß es nicht. Einerseits hörte ich, ein blonder Typ sei geflohen, andererseits heißt es, ein Täter sei gefasst. Wir müssen sofort hin.«
    Sie verabredeten sich am Ludwigsburger Bahnhof.
    Braig nahm die nächste S-Bahn, läutete unterwegs beim LKA an, um sich über den genauen Sachverhalt informieren zu lassen. Der Kollege vom Nachtdienst konnte ihm nicht mehr sagen als er selbst schon wusste. Die Nachricht war kaum eine Viertelstunde vorher erst bruchstückhaft eingetroffen. Von einem Mord sowie einem blonden Mann, der fliehen konnte, war die Rede. Bedeutete das, dass Stecher schon wieder zugeschlagen hatte? Jetzt in Ludwigsburg vor dem Favoriteschlössle?
    Braig spürte die fiebrige Aufregung, die ihn erfasste, erinnerte sich an ihren letzten Einsatz in Ludwigsburg in der Nähe der Schlossanlagen. Vor zwei Jahren, bei der Fahndung nach deutschen Kämpfern, die an den Kriegsgräueln in Jugoslawien beteiligt gewesen

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