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Schwaben-Wut

Schwaben-Wut

Titel: Schwaben-Wut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Wanninger
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waren, hatte er hier ermittelt. Ein Ministerialbeamter aus dem Stuttgarter Finanzministerium war einer der Drahtzieher der Morde, die im Bürgerkrieg von deutscher Hand verübt worden waren. Er hatte in einer prunkvollen Villa am Rand der Schlossanlagen gewohnt, wo sie dann – beim zweiten Besuch – auf seine Leiche gestoßen waren, Braig erinnerte sich noch gut an den Fall. Hägele hatte sich in Verantwortung seiner Taten selbst gerichtet; – so das Fazit ihrer Ermittlungen. Braig war der einzige unter den Ermittlern, der wusste, dass das nicht korrekt war.
    Er musste ein paar Minuten vor dem Ludwigsburger Bahnhof warten, bis Söhnle mit seinem privaten Auto um die Ecke kam. Braig stieg ein, begrüßte den Kollegen, erschrak über sein Aussehen. Söhnles Gesicht hatte jede Farbe verloren, die Haut modellierte unbarmherzig die kantigen Backenknochen.
    »Du hast schon geschlafen?«, fragte er.
    Söhnle nickte, folgte der Myliusstraße ins Stadtzentrum. »Seit heute mittag um zwölf.«
    »Du bist krank?«
    Söhnle trommelte aufs Steuerrad. »Was weiß ich.«
    »Du hättest im Bett bleiben sollen. Warum meldest du dich nicht krank?«
    »Weil ich mich vor mir selber ekle.«
    Braig schaute den Kollegen von der Seite an, spürte, wie müde er selbst war. »Spuck es aus«, sagte er, »was ist los?«
    Söhnle bremste, weil ein Sportwagen quer über die Fahrbahn schoss, betrachtete Braig mit ausdruckslosen Augen. »Manchmal kotzt mich alles dermaßen an ...« Er verstummte, starrte auf die Straße.
    »Gibt es einen Anlass?«
    Söhnle lachte bitter. »Allerdings. Ich frage mich, welche Schweine ... Ach, was ...« Er bog nach links ab, folgte der breiten Fahrbahn Richtung Favoritepark. »Heute Morgen. Sondereinsatz um drei Uhr. Offizielle Anordnung: Untergetauchte Verbrecher und straffällig gewordene Ausländer ausheben. Und wozu werden wir missbraucht? Fleißige Leute, die vor Terror und Krieg geflohen sind und seit Jahren für einen Hungerlohn schuften und unsere Drecksarbeiten erledigen, trotz gültiger, von den zuständigen Behörden ausgestellter Aufenthaltserlaubnis ohne jede Vorwarnung mitten in der Nacht aus den Betten zu holen und zum Flughafen zu schaffen. Gegen jedes geltende Recht! Um vier Uhr die erste Familie, mit zwei Kindern, die in drei Wochen ihren Schulabschluss in der Tasche hätten, eine Stunde später, wie mir Schäffler, der ebenfalls helfen sollte, mitteilte, die nächste Familie. Ein Mann, dessen Schwiegermutter krebskrank im Sterben im Waiblinger Krankenhaus liegt. Die Ärzte geben der Frau maximal noch vier Wochen, aber der Mann wird abgeschoben. In der Nacht. Raus aus den Betten und rein in den Flieger! Ohne Geld, ohne Kleidung, ohne alles. Die Leute dürfen nichts mitnehmen, alles, was sie in Deutschland besitzen, wird zwangsversteigert. Zack! Aus und vorbei. Und wir Idioten dürfen die Drecksarbeit leisten.«
    »Du warst beteiligt?«
    »Ich bin gegangen. Zusammen mit Schäffler. Jetzt haben sie uns Disziplinarmaßnahmen angedroht. Dienstgradzurückstufung, Gehaltsreduzierung bis hin zum Rauswurf. Schäffler rief mich an, teilte es mir mit. – Ich habe alles so satt!«
    Braig atmete tief durch, versuchte, den Kollegen zu trösten. »Ich werde dir helfen. Wir sind nicht die Idioten dieser ...«
    »Helfen?« unterbrach ihn Söhnle bitter. »Wie denn?«
    Sie hatten den Favoritepark erreicht, stellten das Auto ab. Zwei Polizeifahrzeuge standen mit blinkendem Blaulicht am Tor, mehrere Privatwagen daneben auf einem kleinen Parkplatz, eine große aufgeregte Menschenmenge vor und hinter dem Zaun, der den Schlosspark fast zwei Meter hoch umgab. Braig und Söhnle zeigten ihre Ausweise, passierten den Eingang, kämpften sich zu den uniformierten Kollegen vor, die in einem kleinen Menschenpulk standen und heftig mit den Leuten diskutierten.
    Braig trat näher, stellte sich und Söhnle vor. »Was ist geschehen?«, fragte er.
    »Ah, dös is Folgendes«, erklärte einer der uniformierten Beamten, ein auffallend schlanker Mann mit weißblonden Haaren und stechendem Blick hinter der Brille, »da hams oanen erschossen, aber den da hams derwischt.« Er zeigte auf eine unscheinbare, vom Aussehen und der Kleidung her bieder wirkende Gestalt, deren Brille leicht verformt auf der Nase saß. Der Mann hatte schüttere dunkle Haare, einen Bluterguss über dem Auge, ein helles, am Ärmel eingerissenes Jackett. Seine Hände steckten in Handschellen.
    Neben ihm zwei Personen, die ebenso lädiert aussahen wie der

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