Schwaben-Wut
Kidnappers wie seine Beweggründe lieferte. Aufgrund der im Park aufgefundenen Kugeln, die aus derselben Waffe wie der Todesschuss auf den Fernsehmanager Georg Raffler stammten und des in Stuttgart per Computer erstellten Fahndungsfotos war die bayerische Polizei auf Friedrich Merz gestoßen, einen Mitarbeiter sowohl des ermordeten Raffler als auch des getöteten Harf, der bisher in keiner Weise negativ aufgefallen war. Bei einer Wohnungsdurchsuchung des allein lebenden Mannes vor wenigen Minuten hatten die Beamten eine Sammlung von Zeitungsartikeln entdeckt, die alle nur ein Thema beinhalteten: den Mord an Georg Raffler.
Erste Gespräche mit Kollegen des vermuteten Kidnappers und Mörders ergaben Hinweise auf extremes berufliches Mobbing, sowohl von Seiten Rafflers als auch Harfs. Es sei ein offenes Geheimnis im gesamten Haus des Senders, dass Merz jahrelang außergewöhnliche Demütigungen durch die beiden Manager habe ertragen müssen, viele Mitarbeiter hätten sich gewundert, dass der Mann nicht längst gekündigt, sondern alles weiter hingenommen habe.
Über das Privatleben des Merz konnte in der Kürze der Zeit noch nichts ermittelt werden, bisher sehe alles danach aus, dass er sich mit seinem Beruf soweit identifizierte, dass er ihm große Teile seiner Freizeit opferte. Umso schlimmer musste ihn das berufliche Mobbing getroffen haben. Zusammenhänge zwischen Merz und dem vom Stuttgarter LKA gesuchten Andreas Stecher konnten nicht festgestellt werden.
Friedrich Merz war 1960 in der Nähe von Dortmund geboren, arbeitete seit 1988 beim Fernsehsender Rafflers und Harfs in München. Beziehungen des Merz ins Schwäbische waren nicht bekannt.
Neundorf legte das Fax auf ihren Schreibtisch, trommelte nervös mit ihren Fingern gegen die Kante. »Sieht ganz danach aus, als habe sich da jemand von seinen Peinigern befreit. Endlich, nach langen Jahren der Unterdrückung zum Gegenschlag ausgeholt. Ich will nicht wissen, wie diese Herren Manager sich verhalten haben, was das Mobbing in ihrem Fall konkret zu bedeuten hat. Vielleicht haben die seine Reaktion sogar ein Stück weit verdient. Was mich jetzt aber beunruhigt, ist, dass er Bernhard immer noch in seiner Gewalt hat.«
»Ich verstehe den Zusammenhang nicht«, meinte Braig, »was hat Stecher damit zu tun? Wer ermordete diesen Harf?«
»Hast du seine Mutter gefragt?«
Braig nickte. »Vor zehn Minuten. Ich ließ es vierzehn Mal läuten, bis sie endlich abnahm. Sie hatte Nachtschicht, wollte schlafen. Ich erklärte ihr, dass ich das auch gern tun würde, wegen der neusten Heldentat ihres Sohnes aber leider nicht dazu käme. Sie war total schockiert, erklärte nur immer wieder, dass wir nach dem Falschen suchen. Ein Matthias Harf sei ihr vollkommen unbekannt.«
»Es sei denn, sie lügt.«
Braig massierte sich beide Schläfen, versuchte, einen klaren Kopf zu gewinnen. Die Müdigkeit drohte ihn endgültig zu übermannen.
»Warum sollte sie?«
»Das weiß sie allein.«
»Dann rief ich Esther Carl an«, erklärte Braig, »die Tochter des ermordeten Greiling. Den Namen Harf hat sie noch nie gehört. Zwischen ihrem Vater und dem Fernsehmanager gibt es ihrer Ansicht nach keinerlei Verbindung.« Er schwieg einen Moment, legte sein Gesicht in seine geöffnete Hand, schloss die Augen. »Ich verstehe es nicht, verdammt nochmal, was haben diese Typen mit Stecher zu tun?«
Neundorf lief zur Kaffeemaschine, schenkte sich eine Tasse voll. »Das ist noch lange nicht alles«, sagte sie. »Du kannst genauso fragen, was Stecher mit diesem Merz verbindet. Wieso erschießt der eine ihr gemeinsames Opfer, schlägt auf es ein, haut dann ab, um dem anderen die Gelegenheit zu geben, dem bereits getöteten Mann einen Streifschuss zu verpassen? Wozu soll das gut sein?«
»Wahrscheinlich hatten beide solche Wut auf diesen Harf, dass sie ihn gemeinsam töten wollten. Gleichzeitig ließ es sich nicht bewerkstelligen, also erledigten sie es nacheinander.«
»Klingt das nicht sehr konstruiert?« Neundorf trank von ihrem Kaffee. »Wie haben sich die beiden kennengelernt, wo haben sie diese Idee entwickelt? Vergiss nicht, Stecher ist gerade mal eine Woche in Freiheit.«
Braig zuckte mit der Schulter. »Hast du eine bessere Theorie? Ich verstehe überhaupt nichts mehr, bin nur noch müde.«
»Vielleicht wussten Stecher und Merz gar nichts voneinander, kamen sich nur zufällig ins Gehege, als sie auf dasselbe Opfer losgingen. Stecher war ein paar Sekunden schneller, Merz kam zu
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