Schwaben-Wut
Garage«, hauchte Katharina Behler, »was sollten Sie hier?« Sie saß immer noch auf dem Rücksitz neben der zitternden Gestalt ihres Mannes, wischte sich vorsichtig das Gesicht trocken.
»Wer ist Ihr Hausarzt?«, fragte Braig. »Ich rufe ihn.«
Die Frau nannte den Namen, bat ihn, oben in der Diele nach der Telefonnummer zu sehen. Claudia Fischer ging die Treppe hoch, verständigte den Mann, erklärte die Lage.
»Wir sollten alle nach oben gehen«, meinte Braig, »falls Sie sich dazu in der Lage fühlen. Es ist zu kalt, Sie benötigen wärmere Kleidung.«
Die Frau reagierte sofort, kletterte aus dem Auto. Ihr Mann hatte große Mühe. Selbst mit der Hilfe der beiden Polizeibeamten schaffte er es kaum, sich zu erheben. Mühsam schleppten sie ihn nach oben.
»Sie wurden heute Nacht überfallen?«, fragte Braig vorsichtig, als sie im Wohnzimmer angelangt waren. Er wollte unbedingt wissen, ob Söhnles Kidnapper mit der Sache zu tun hatte.
Katharina Behler starrte wie von Sinnen durch den Raum, betrachtete voller Entsetzen die Folgen des Vandalismus. »Ist das wirklich unser Haus?« hauchte sie mit schwacher Stimme. Sie starrte auf die aus dem Schrank gerissenen Schubladen, die auf den Boden verstreuten Papiere, die offenen Schranktüren.
Draußen in der Diele war das heftige Schnaufen ihres Mannes zu hören. Braig drehte sich um, sah, dass die Polizeibeamten ihn auf beiden Seiten untergehakt hatten und Richtung Schlafzimmer schleppten. Behler war offensichtlich am Ende seiner Kräfte.
»Es war irgendwann in der Nacht«, begann die Frau unvermittelt, »er riss uns aus dem Schlaf, stand plötzlich mit seiner Pistole über uns. Sie können sich nicht vorstellen, wie das ist. Mitten in der Nacht. Sie glauben zu träumen, haben wahnsinnig Angst vor dem Verbrecher, können aber nicht entkommen, denn plötzlich wird klar: Es ist kein Traum, es ist Wirklichkeit. Mein Mann schrie wie am Spieß, hörte überhaupt nicht mehr auf. Da verlor der Kerl die Nerven und schlug auf ihn ein.«
Braig dachte an die geschwollene Wange des Mannes, erinnerte den blutigen Schorf an seinem Kinn.
»Er wollte Geld. Wir haben aber nicht viel im Haus. Da fesselte er uns, durchwühlte alles. Dann fragte er nach einem Auto.«
»War er allein?«, fragte Braig.
Im anderen Raum hustete sich Behler die Lunge aus dem Leib.
»Sie waren zu zweit«, antwortete die Frau, »zwei Verbrecher.« Sie schielte aufmerksam ins Schlafzimmer.
»Zwei?«, fragte Braig aufgeregt.
»Zwei. Aber nur der mit der schiefen Brille bedrohte uns.«
»Und der andere?«
»Er stand immer im Eck.«
Katharina Behler hörte das Röcheln ihres Mannes, sprang ins Schlafzimmer. »Du legst dich ins Bett, Reiner«, sagte sie, hob die Decke auf, legte sie zur Seite. »Frau Fischer, könnten Sie bitte helfen.«
Die beiden Frauen schoben Behler zum Bett, drückten ihn vorsichtig nieder. Um Atem ringend drehte sich der Mann zur Seite.
Braig dachte an ihre Bemerkung von der schiefen Brille, erinnerte sich daran, dass er den Kidnapper tatsächlich mit einer leicht verformten Brille im Favoritepark vor sich gesehen hatte. Er griff in seine Tasche, zog das Fahndungsfoto vor, zeigte es der Frau.
»Sah der Mann so ähnlich aus?«
Katharina Behler zuckte hilflos mit der Schulter. »Ich kann, ich weiß ...« Sie fuhr sich mit beiden Händen durch die Haare, kratzte sich nervös am Hinterkopf. »Der Schock, wissen Sie. Ich war mitten im Schlaf und dann plötzlich ...«
»Irgendeine Ähnlichkeit?«
»Ich weiß es nicht. Nur seine schiefe Brille, die sehe ich vor mir. Es klingt seltsam, ich weiß. Entschuldigen Sie bitte, aber ...«
Plötzlich fiel Braig ein, wonach er unbedingt fragen musste. »Trug einer der Männer Handschellen?«
Katharina Behler schaute ihn überrascht an. »Handschellen?«
»Ich meine, ob seine Hände aneinander gekettet waren?«
Sie schüttelte den Kopf. »Aneinander gekettet? Nein. Er bedrohte uns, verstehen Sie? Wie soll er das mit aneinander geketteten Händen gemacht haben?«
Braig fühlte, wie sehr ihm ihre Antwort zusetzte. Wie sollte er es getan haben, wie? Der Kidnapper hatte Handschellen an seinen Handgelenken, als er geflohen war, wie sollte er damit jemand bedrohen können? Wahrscheinlich war er hier völlig fehl am Platz, hatten sie es mit einem ganz anderen Täter zu tun.
»Der andere Mann auch nicht?«, fragte er.
»Handschellen? Nein.« Katharina Behler war sich sicher.
Braig musterte ihr Gesicht, sah, wie es in ihr arbeitete. Plötzlich
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