Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schwaben-Wut

Schwaben-Wut

Titel: Schwaben-Wut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Wanninger
Vom Netzwerk:
kriminalpolizeilichen Untersuchungen durchgeführt, Merz' Pistole sicher gestellt. Gemäß den Ermittlungen der Münchner Kollegen war der Tote eindeutig als Mörder Rafflers identifiziert, den gefundenen Unterlagen zufolge wohl auch als potentieller Killer Harfs zu bezeichnen. Wieso der Fernsehmanager dann jedoch von Andreas Stecher getötet sein sollte, hatte sich bisher nicht feststellen lassen. Gab es Verbindungen zwischen den beiden Tätern? Braig wusste, dass sie dieses Problem schnellstmöglich lösen mussten.
    »Den haben wir«, bestätigte er, »ja.«
    »Du warst dabei?«
    Er hatte den Schrei des Mannes wieder in den Ohren, das Tosen des Wasserfalls, sah den Körper auf den Felsen aufschlagen. Er hatte seinen Blick noch abwenden wollen, hatte versucht, sein Gesicht von dem nach unten stürzenden Körper wegzureißen, hatte es aber nicht mehr geschafft. Es war zu schnell gegangen. Genau in dem Moment, als seine Augen die dunklen Kronen der Bäume erfassten, war der Mann auf den harten Stein geprallt. Scheinbar lautlos, wie in einem Stummfilm, übertönt vom Toben des Wassers.
    »Es sah nicht schön aus«, antwortete er nur.
    Der Moment, wo das Genick brach. Die Tausendstelsekunde, wo es die Beine aus den Gelenken riss.
    »Aber ihr habt den entführten Kollegen befreit.«
    Bernhard Söhnle war nach Auskunft der Ärzte in den nächsten vierundzwanzig Stunden nicht ansprechbar. Er benötigte die Hilfe von Medikamenten, später dann die von Psychologen, die ihm behutsam helfen würden, die Qualen des vergangenen Tages zu verarbeiten. Sie hatten ihn in die Obhut der Tübinger Universitätskliniken überstellt, um ihm beste Betreuung zukommen zu lassen. Braig hatte sich vorgenommen, im Verlauf des Samstag telefonisch anzufragen, ob Söhnle zu sprechen sei.
    »Wenigstens das, ja.«
    »Ich hätte dich heute gerne besucht.«
    Braig seufzte laut, gab keine Antwort.
    »Vielleicht könnte ich dich etwas ablenken.«
    »Das glaubst du wirklich?« Er wollte sie nicht verletzen, wollte ihr nur zeigen, dass das nicht möglich war. Solange jedenfalls nicht, solange der blonde Mörder frei herumlief und nach neuen Opfern suchte. Oder nach Menschen, die er längst als Opfer auserkoren hatte. Konnte sie wirklich glauben, dass er Lust danach verspürte, sich ablenken zu lassen? »Wann hast du dein mündliches Abitur?«, fragte er.
    »Nächsten Mittwoch und Donnerstag.«
    »Hättest du Lust, dich am Dienstagabend mit mir zu treffen?«
    »Am Dienstagabend?« Sie stockte, verstand, was er meinte. »Du weißt genau, dass das nicht geht. Ich muss mich auf meine Schüler und die Aufgaben konzentrieren. Schließlich will ich, dass sie gute Noten erhalten.«
    »Und ich will den blonden Mörder. Du verstehst?«
    Sie seufzte, lachte dann. »Mit meinen eigenen Waffen geschlagen, wie?«
    »So könnte man das sagen.«
    Er war weiß Gott kein solcher Super-Polizist, dass er große Lust danach verspürte, sein Privatleben den beruflichen Aufgaben oder gar seiner Karriere zu opfern. Im Gegenteil, mehrfach in den letzten Jahren war ihm sein Dasein als Kriminalkommissar zur Bürde, zur spürbaren Belastung geworden. Es nahm ihn so in Beschlag, ja beeinträchtigte ihn immer wieder in seinen Aktivitäten, dass er oft in Versuchung geriet, den ganzen Bettel hinzuwerfen und sich einer anderen Aufgabe zu widmen. Tag für Tag aufs Neue immer nur Mord und Verbrechen, die unappetitlichen Seiten des menschlichen Lebens serviert zu erhalten – konnte das auf Dauer wirklich ohne Veränderung des eigenen Charakters abgehen?
    Braig wusste die Antwort längst, wehrte sich auch nicht mehr dagegen, der Realität ins Auge zu sehen: Niemand war imstande, seine Psyche vor dem abzuschotten, was ständig auf diese einstürmte. Auch er nicht. Mehr und mehr ertappte er sich selbst bei sarkastischen Gedanken, spürte, wie sein Mitgefühl, seine Bereitschaft, gescheiterten Biografien gegenüber Verständnis zu zeigen, schmolz.
    Nein, er verzehrte sich weiß Gott nicht danach, ein großartiger Polizist zu sein, mit keiner Faser seines Wesens. Was ihn im Moment aber fesselte, seine Gefühle und Gedanken gefangen nahm, waren die Bilder der in den letzten Tagen aufgefundenen Leichen, die bewusst verunstalteten Gesichter der Ermordeten, denen ein entfesselter junger Mörder nicht nur das Leben, sondern auch noch das letzte Überbleibsel ihrer Persönlichkeit geraubt hatte.
    »Wir müssen ihn schnappen«, sagte er.
    Barbara Sorg lachte hilflos. »Dann ist jede Bemühung

Weitere Kostenlose Bücher