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Schwaben-Wut

Schwaben-Wut

Titel: Schwaben-Wut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Wanninger
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einer schwarzweiß gestreiften Katze, ein lachender Jugendlicher Nase an Nase mit einer braungefleckten Kuh, ein grinsender Heranwachsender mit einer Tigerkatze auf dem Schoß, der Kopf des Tieres voller Zutrauen in die offene Hand des jungen Mannes geschmiegt. Bilder über Bilder mit immer denselben Motiven: Andreas Stecher und ein Tier in freundlicher, meist zärtlicher Begegnung.
    »Wer hat das fotografiert?«, fragte Braig. Waren es Montagen, per Computer zusammengescannt?
    Er erinnerte die Worte Adolf Kühnles, des Vermieters Stechers in Heslach, dessen Beschreibungen der Tierquälereien, die der junge Mann angeblich durchgeführt hatte. Waren es Lügen, die Kühnle ihm aufgetischt hatte? War es seine Absicht gewesen, sich mit den Schilderungen der bestialischen Perversitäten Stechers bei ihm wichtig zu machen?
    Braig erinnerte sich, dass er ein oder zwei Tage nach dem Besuch bei Kühnle in Stechers Akte geblättert, sie auf die Berichte des Vermieters hin untersucht hatte. Die Tierquälereien des jungen Verbrechers waren schon bei dessen Verhaftung vor drei Jahren notiert worden, kürzer zwar, bei weitem nicht so ausführlich, wie Kühnle das ihm gegenüber getan hatte, aber immerhin schriftlich festgehalten. Warum sollte der Mann lügen, weshalb solch grauenhafte Storys erfinden?
    »Ich habe die Bilder fotografiert«, erklärte Ulrich Hinderer mit fester Stimme, »alle. Ich sagte Ihnen doch, wir fuhren immer zusammen zu meiner Tante. Mir gefällt das Leben dort genauso gut wie Andreas.«
    »Wann war das? Aus welcher Zeit stammen die Aufnahmen?«
    Der junge Mann zeigte auf die Beschriftung der Album-Seiten. »Hier steht es doch. Zwischen 1993 und 1996. Wir waren in der achten, neunten und zehnten Klasse.«
    Konnte es wahr sein, überlegte Braig, konnte es wirklich stimmen, was Hinderer ihm erzählte? Er betrachtete das offene Gesicht des jungen Mannes, seine großen, dunklen Augen, die nachdenklich wirkende Stirn. Sagte er ihm wirklich die Wahrheit?
    »Danach haben wir uns leider eine Zeitlang aus den Augen verloren«, fuhr Hinderer fort, »weil Andreas mit seiner Mutter nach Heslach zog. Sie arbeitete wieder Nachtschicht und wollte die Zeit für die Hin- und Rückfahrt zu ihrer Arbeitsstelle verkürzen, damit er nicht so lange allein blieb. Deshalb glaubte sie, eine Wohnung in Stuttgart sei besser als hier in Backnang.«
    1993 bis 1996 ein tierlieber junger Heranwachsender, überlegte Braig, wenige Monate später dann das Kidnapping seiner Lehrerin und der Mitschüler, die brutalen Tierquälereien und der schreckliche Mord. Wie passte das zusammen?
    »Er bekam erst nach diesem Umzug solche Wahnideen?«
    Braig sah den jungen Mann mit großen Augen an. »Von welchen Ideen sprechen Sie?«, fragte er.
    »Na ja, das ist wohl nicht schwer zu erraten. Weshalb landete Andreas im Gefängnis?«
    »Wegen eines bestialischen Mordes, der grauenvollen Vergewaltigung, den Tierquälereien und des Kidnappings seiner Mitschüler.«
    Ulrich Hinderer saß aufrecht auf dem Sofa, schüttelte den Kopf. »Das hat Andreas nicht allein zu verantworten«, sagte er.
    »Wollen Sie andeuten, dass noch andere beteiligt waren? Benjamin Bartle etwa?«, fragte Braig. Er beobachtete sein Gegenüber.
    »Ich kenne Benjamin nicht gut«, antwortete Hinderer, »aber ich zweifle nicht daran, dass er genauso wie Andreas nicht nur Täter, sondern vor allem Opfer ist.«
    »Allerdings. Vom eigenen Freund ermordet.«
    »Das behaupten Sie.«
    Braig lachte, schüttelte den Kopf. »Nein, das ist keine Behauptung. Ich habe genügend Fotos von Bartles entstellter Leiche gesehen. Beeindruckende Fotos.«
    »Was immer dahinter steckt, ich bleibe dabei: Andreas hat nicht die alleinige Verantwortung dafür«, beharrte Hinderer. »Oder wollen Sie mir erklären, dass Sie es als normal erachten, wenn sich ein junger, emotional gesunder Mensch innerhalb weniger Monate so verändert, dass er sich zu krankhaft gewalttätigen Verhaltensweisen hinreißen lässt?«
    Braig betrachtete das wütende Gesicht seines Gegenübers, spürte das Engagement in den Worten des jungen Mannes. »Ich kann nicht beurteilen, ob Stecher jemals emotional gesund war«, sagte er, die von Hinderer benutzten Worte betonend, »ich kenne nur den Mörder, der alle paar Tage neu zuschlägt.«
    »Sie kennen ihn?« Ulrich Hinderer schüttelte energisch den Kopf. »Das glauben Sie selbst nicht. Nein, Sie kennen ihn nicht. Oder haben Sie ihn jemals getroffen?«
    »Nein. Für mich ist er das Phantom, das

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