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Schwaben-Wut

Schwaben-Wut

Titel: Schwaben-Wut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Wanninger
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wir jagen, um weitere Morde zu verhindern.«
    »Genau. Aber ich kenne ihn. Seit Jahren. Und ich habe mit eigenen Augen beobachtet, wie Andreas unter dem Einfluss dieser verfluchten Sendung zu einem anderen Menschen wurde, einer Person, die all das, was er vorher heiß geliebt und verehrt, plötzlich mit Füßen trat und verachtete, selbst Tiere und Menschen, die ihm vorher so viel bedeuteten.«
    Braig verharrte mit dem Glas Mineralwasser in der Hand, sah Hinderer überrascht an.
    »Wollen Sie noch etwas trinken?«
    Der Kommissar starrte verwirrt auf das Glas, bemerkte, dass es fast leer war. »Trinken?« Er schüttelte den Kopf. »Nein danke. Ich verstehe nur nicht, von welcher Sendung Sie sprechen. Was hat Stecher nach Ihrer Meinung so verändert, dass er zur Bestie wurde und heute einen nach dem anderen ermordet?«
    »Sie wissen das nicht?« Ulrich Hinderer zog ein Taschentuch vor, schnäuzte sich. »Für mich ist es nach wie vor ein Skandal ohnegleichen, dass die Richter beim Prozess gegen Andreas nicht bereit waren, die Schuld dieser Fernsehserie deutlicher hervorzuheben. Ohne diesen Wahnsinn hätte sich Andreas normal weiterentwickelt. Aber unter dem Einfluss dieser Sendungen veränderte er sich vollständig. Er entdeckte eine neue Welt, fand neue Ideale, ahmte deren Verhaltensweisen nach, orientierte sich voll und ganz an deren Leitbildern. Es klingt vielleicht altklug und überheblich, wenn ein junger Mensch wie ich über Lebensphasen spricht, denen er selbst gerade mal entwachsen ist. Aber zum einen habe ich mit Andreas im Gefängnis lange über diese Zeit und sein menschenverachtendes Verhalten diskutiert und zum anderen wurde auch ich Opfer dieser Entwicklung.«
    »Sie?«, fragte Braig überrascht.
    »Na klar. Der Umzug nach Stuttgart-Heslach war eine Katastrophe für Andreas: Er veränderte sich vollständig, innerhalb kurzer Zeit. Ich hatte ihn vielleicht sieben, acht Wochen nicht gesehen, kam zu einem Besuch zu ihm nach Heslach, da erschrak ich total. Ich erkannte ihn kaum wieder. Er sah sich in den Spuren dieses Serienhelden, sprach über nichts anderes mehr, hatte nur noch dessen Verhalten im Sinn. Das Auftreten des Gewalttäters faszinierte ihn. Er ahmte ihn bis ins kleinste Detail hinein nach, führte sich genauso großmäulig und unbeherrscht auf wie der, trampelte auf all dem herum, was wir früher gemeinsam so geschätzt hatten, sprach den halben Tag davon, genauso hart und rücksichtslos auftreten zu wollen wie dieses Monster. Die Durchsetzungsfähigkeit, die Selbstverständlichkeit, wie der Serienheld buchstäblich über Leichen ging, seinen eigenen Willen auf Kosten anderer verwirklichte, das war es, was ihm am meisten imponierte. So wollte auch er leben, genau so. So leben und dadurch auch noch berühmt werden. Er träumte regelrecht davon, in die Fußstapfen dieses Monsters zu treten. Ich war vollkommen schockiert, regelrecht abgeschreckt. Am Abend des Tages, als ich ihn besuchte, gerieten wir uns voll in die Haare, hatten den ersten großen Streit in unserer Freundschaft. Er behandelte mich herablassend, wie den allerletzten Dreck, nur weil ich es gewagt hatte, sein Verhalten ganz vorsichtig zu kritisieren. Kein Wunder, dass wir uns danach für einige Zeit aus den Augen verloren.«
    »Was war das für eine Serie? Sie kennen sie?«
    Hinderer blätterte in dem Album, betrachtete verschiedene Bilder. »Nur vom Hörensagen«, antwortete er, »und von einem Video, das er mir damals unbedingt zeigen wollte. Eine widerliche Gewaltorgie. Vielleicht bin ich abnormal, aber ich hatte nie das Bedürfnis, mir solche Horrorfilme reinzuziehen. Die zehn Minuten, die ich mir damals antat, waren genug. Blut, Blut und nochmals Blut. Eine junge Frau wurde vergewaltigt und ein Dorf niedergebrannt. Daraufhin sorgte der superstarke Held für Ordnung. Er fesselte den Übeltäter, vergewaltigte in seiner Anwesenheit dessen Frau, ermordete sie und ihn, zertrümmerte ihnen mit einem Stein die Schädel, aus denen so viel Böses entsprungen sei, um dieses Böse für immer zu vernichten.«
    »Er zerschlug ihnen den Kopf?«
    »Ich konnte den Film nicht länger ansehen, mir war er zu brutal. Aber es gab ganze Cliquen von Jugendlichen, die sich die Serie reinzogen und total begeistert davon waren. Sie wurde erst kurz vor Mitternacht gesendet, aus Gründen des Jugendschutzes, wie sie das so schön umschreiben, aber was heißt das schon, wo viele junge Leute ein eigenes Fernsehgerät samt Video im Zimmer haben und die Eltern

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