Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schwaben-Wut

Schwaben-Wut

Titel: Schwaben-Wut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Wanninger
Vom Netzwerk:
Prozess dermaßen unter dem Druck einiger Boulevardmedien, die lauthals danach schrien, das von ihnen aufgebaute und ausgiebig vermarktete jugendliche Monster brutal zu bestrafen, dass sie es nicht wagten, auf die wahren Hintermänner seiner Gewalttaten einzugehen. Die Brandstifter kamen wieder mit weißer Weste davon.«
    »Ich fürchte, Sie übertreiben«, wandte Braig ein, »und überschätzen Sie nicht auch den Einfluss der Medien?«
    Groß stellte die Kaffeekanne ab, setzte sich wieder. »Ich weiß, dass es problematisch ist, solche scheinbar verallgemeinernden Urteile zu fällen. Aber gestatten Sie mir, auf die Erfahrungen meines schulischen Alltags zurückzugreifen. Alle, die in diesen Tagen in irgendeiner Form mit jungen Leuten zu tun haben, bekommen deren Beeinflussung durch die privaten Fernsehprogramme täglich zu spüren. Wir Lehrer erleben seit einigen Jahren deutlich – und ich garantiere Ihnen, dass der überwiegende Teil meiner Kollegen dieser Darstellung zustimmt – wie sich innerhalb weniger Jahre mangelnde Konzentrationsfähigkeit, fehlende Bereitschaft zur Sensibilisierung, deutliche Abstumpfung und zunehmendes Desinteresse an allem, was nicht unmittelbar die eigenen Interessen betrifft, ebenso wie steigende Verrohung und Gewaltbereitschaft, explosionsartig unter großen Teilen der Jugendlichen breit gemacht haben – in einem Ausmaß, das alle bisherigen Generationensprünge bei weitem übersteigt.
    Fragen Sie nach den Ursachen dieser Entwicklung, stoßen Sie immer wieder auf einen wichtigen Faktor: Die Überflutung der Heranwachsenden mit immer neuen Medienreizen. Drei bis vier Stunden TV-Konsum am Tag sind der normale Durchschnitt, wie ich in anonymen Umfragen in mehreren Klassen erfuhr, wobei der überwiegende Teil der jungen Leute über ein eigenes Fernsehgerät verfügt, vor dem sie dann meist auch allein, ohne Eltern, Geschwister oder Freunde sitzen.
    Kennen Sie die Inhalte der Sendungen, die man sich reinzieht? Die der Talk-Shows zum Beispiel mit Themen wie Ich brauche jeden Tag drei Männer im Bett, damit mein Hormonpegel stimmt, – Ich treibe es am liebsten mit Pferden – oder – Mein Schwanz ist so groß, alle Frauen gieren nach mir! und einem Diskussionsstil, der primär darin besteht, sich mit möglichst dummen, nichtssagenden Phrasen gegenseitig niederzubrüllen. Wundert es Sie wirklich, dass monate- oder gar jahrelanger Konsum solcher Sendungen den Umgang der Jugendlichen miteinander, ihre Sprache und auch ihre Einstellung zum Leben beeinflusst?
    Seien wir doch ehrlich: Die privaten Sender leben allein von der Werbung. Ihre einzige Chance, diese möglichst vielen, vor allem jungen Zuschauern zu präsentieren, ist es, Aufsehen zu erregen, damit die Leute auf den entsprechenden Knopf drücken. Also wird provoziert, übertrieben, manipuliert, geschockt, gelogen, werden sämtliche Perversionen dieser Welt in allen Variationen gezeigt.
    Wie, frage ich Sie mit der Bitte, sich diese Problematik genau zu überlegen, soll ein junger Mensch, auf den via Bildschirm Tag für Tag Dinge einstürmen, die wir früher bestenfalls unter Freunden hinter vorgehaltener Hand zu erörtern wagten, verstehen lernen, was normal oder aber nach humanen Maßstäben indiskutabel ist? Wozu soll er sich damit abmühen, über den Umgang miteinander nachzudenken, wenn in der Glotze ständig das Abnormale zelebriert wird? Glauben Sie wirklich, ich übertreibe, was den Einfluss des Fernsehens – auch in Bezug auf Gewalt – auf die junge Generation anbetrifft?«
    Braig fuhr sich nachdenklich durch die Haare, betrachtete sein Gegenüber, der seinen Sohn zu sich auf den Schoß genommen hatte.
    »Ich bezweifle nicht, dass Sie eine problematische Entwicklung innerhalb unserer Gesellschaft erkannt und sehr pointiert beschrieben haben. Aber trotz all dieser Überlegungen sollten wir Stecher nicht vergessen. Seine Verbrechen und seine Opfer. Zum Beispiel Manuela Eitle, die er so bestialisch vergewaltigte und tötete.«
    »Sie haben Recht«, stimmte Groß zu, »sie darf nicht vergessen werden. Aber genauso wenig dürfen Sie vernachlässigen, dass die geldgierigen Manager dieses Fernsehsenders ihres Profits wegen den Tod eines solchen Mädchens bewusst riskierten.«
    »Erzählen Sie das nicht Manuelas Mutter. Sie hätte garantiert kein Verständnis für diese These.«
    »Frau Eitle?« Josef Groß hielt seine Tasse in der Hand, schüttelte den Kopf. »Sie sollten mit ihr reden, dann wären Sie schnell eines Besseren

Weitere Kostenlose Bücher