Schwaben-Wut
belehrt.«
»Sie kennen sie?« Braig brachte seine Überraschung unverhohlen zum Ausdruck.
»Wir trafen uns im Gefängnis bei Andreas. Die Frau trägt schwer an ihrem Schicksal. Manuela war ihre einzige Tochter. Sie ist geschieden, hatte nur noch das Mädchen. Frau Eitle ist am Ende, ein seelisches Wrack. Sie lebt völlig vereinsamt. Ich kenne beide Seiten der Medaille.«
»Was wollte sie im Gefängnis? Stecher ist der Mörder ihrer Tochter.«
»Ich glaube, sie suchte nach ihrem inneren Frieden. Sie wollte den sehen, der ihr das alles angetan hat. Frau Eitle ist genauso ein Opfer dieser profitgierigen Sender wie Manuela und Andreas.«
32. Kapitel
Das Haus lag am Rand der Esslinger Innenstadt, nicht weit von einem großen Industrieareal entfernt. Oliver Stern hatte es ihnen verraten, nachdem sie sich mit den Kollegen vom Dezernat für Menschenhandel abgesprochen und sich mit ihm über ihr weiteres Vorgehen geeinigt hatten. Er sollte den Transport der jungen Frauen wie gewohnt begleiten, sich nichts anmerken lassen und auf ihre Reaktion warten.
Die Überwachung des Hauses musste dezent verlaufen. Ob der Zugriff noch am Abend oder erst später erfolgte, sollte erst vor Ort entschieden werden. Der Zeitpunkt hing weitgehend davon ab, ob sie Chancen hatten, zu den Drahtziehern des Gewerbes vorzustoßen oder nicht. Stern hatte darauf verwiesen, dass nach seinen Beobachtungen einige der besten Kunden bald nach Eintreffen der Mädchen auftauchten, um sich ihr Frischfleisch exklusiv zu besorgen. Für seine Mithilfe beim Vorgehen gegen die Menschenhändlerclique hatten sie ihm strafmildernde Umstände für seinen Prozess zugesichert.
Neundorf und Braig stießen zusammen mit Günther Knödler, dem beim LKA-Spezialdezernat für Frauenhandel zuständigen Hauptkommissar, kurz nach 18 Uhr zu den Kollegen, die das Gebäude von weitem observierten. Die Ulmer Straße führte mit mehreren Fahrspuren an dem Haus vorbei. Massen von Autos in beiden Richtungen machten jeden Aufenthalt unangenehm. Die Beamten hatten ihr mit nicht einsehbaren Fenstern ausgestattetes Zivilfahrzeug in einer nahen Seitenstraße postiert, beobachteten das Haus mit einem kleinen Spiegel. Unmittelbar hinter ihnen rasten die Autos vorbei.
Ein unauffälliger VW-Bus bremste kurz vor halb sieben. Er war dunkelrot lackiert, fuhr rechts auf den Gehweg, stoppte direkt vor dem Eingang des Gebäudes. Zwischen Auto und Hauswand klafften gerade noch zwei Handbreit Abstand. Die Übergabe der Lieferung dauerte keine zwei Minuten. Haus- und Wagentür wurden fast gleichzeitig geöffnet, ein drahtiger kleiner Mann lehnte sich aus dem Fahrzeug, drückte mehrere Personen aus dem Auto ins Gebäude. Neundorf, Braig und Knödler verfolgten das Geschehen aus sicherer Entfernung.
»Du hast das Kennzeichen?«, fragte Braig.
Die Kommissarin nickte. »Wir lassen ihn fahren. Das Risiko ist mir zu groß, dass ein Zugriff schief geht und die Hintermänner Lunte riechen.«
»Du denkst an Retterle und Speckmaier?«
Sie nickte. »Denen traue ich sogar zu, dass sie übers Wochenende hierher gewechselt sind, nur um uns ins Handwerk zu pfuschen.«
Sie sahen den VW-Bus wegfahren, blickten auf die Uhr. Drei Minuten vor halb. Der ganze Vorgang hatte gerade mal achtzig Sekunden in Anspruch genommen.
»Die Kollegen am Bahnhof stehen in Startposition?«, fragte Neundorf, ließ sich deren Einsatzbereitschaft per Funk bestätigen. »Dann warten wir, bis sich vor dem Haus etwas tut.«
Sie hatten das Gebäude aus der Luft von einem niedrig fliegenden Hubschrauber aus überprüft. Es gab einen Hinterausgang, der jedoch nur auf einen winzigen Hof führte, der von einer mehr als zwei Meter hohen Mauer gesäumt war. Jenseits der Mauer erstreckte sich eine bescheidene Grünfläche, die zum Nachbarhaus gehörte, das an eine schmale Parallelstraße grenzte. Zur Sicherheit hatte Braig die Anweisung gegeben, auch in dieser Straße ein Fahrzeug mit zwei Kollegen zu stationieren. Sollten Hausinsassen über den Hof zu fliehen versuchen, musste die Nebenstraße abgeriegelt werden.
Braig starrte auf den Autopulk, der auf der Fahrbahn vor ihnen stadtauswärts fuhr, wartete auf das Ausscheren eines der Fahrzeuge. Fünf Minuten vor sieben war es soweit. Ein dunkler Daimler mit Göppinger Kennzeichen preschte auf den Gehweg, stoppte genau vor dem Gebäude. Die Eingangstür wurde geöffnet, der Fahrer beugte sich nach rechts. Mehr war nicht zu erkennen.
»Frischfleischbeschau«, knurrte Neundorf, »der geile
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