Schwach vor Sehnsucht
forderte Joanna mit einer Handbewegung auf, sich zu setzen.
Er sah völlig anders aus als der Joshua, den sie in Kanada kennen gelernt hatte. Das schwarze Haar war kürzer geschnitten, und er trug einen dreiteiligen, hervorragend gearbeiteten grauen Anzug, ein weißes Seidenhemd und eine graue Krawatte.
“Joanna”, begrüßte er sie kurz angebunden. Sein Blick war kühl.
Was mache ich hier eigentlich? dachte sie. Wie konnte sie von diesem Mann Hilfe erwarten?
“Dr. Radcli…”
“Mr.”, verbesserte er. “Und als wir zuletzt… miteinander geredet haben, hast du mich Joshua genannt”, sagte er spöttisch.
Sie hatten nicht nur miteinander geredet, und daran erinnerten sie sich beide sehr gut. “Joshua.
Ich … brauche deine Hilfe.”
“In welcher Hinsicht?” fragte er ausdruckslos.
Wie teilte eine Frau einem Mann am Besten mit, dass sie sein Kind erwartete und schreckliche Angst davor hatte, es auf die Welt zu bringen? Sie kam zu dem Schluss, dass schonungslose Offenheit die einzige Lösung war. “Ich bin schwanger.”
Er verzog keine Miene. “Ja?”
Joanna hatte damit gerechnet, dass er schockiert sein oder vielleicht empört abstreiten würde, der Vater des Kindes zu sein. Diese Gleichgültigkeit hatte sie gewiss nicht erwartet.
“Wie soll ich dir helfen?” fragte er, als sie schwieg.
“Du bist Arzt.”
“Ja, und?”
“Du musst wissen, was zu tun ist, um …”
“Um es abzutreiben?” fragte er kalt. “Willst du Kapital aus dem Abend schlagen, den wir zusammen verbracht haben? Soll ich als Bezahlung dafür dein Kind abtreiben?”
Das Wort raubte ihr die Sprache. Er hatte ausgesprochen, woran sie nur zu denken gewagt hatte.
“Wie hast du mich gefunden?” fragte er scharf.
“Ich … Es war nicht schwierig.”
“Du dachtest also, du könntest mit meiner Hilfe dein ungewolltes Kind loswerden. Du bist doch jung und gesund, stimmt’s?”
“Ja.”
“Ohne Erbkrankheiten in der Familie?”
“Ja.”
“Erwartest du, dass ich diese Abtreibung gegen alle meine Überzeugungen vornehme?”
Joanna fühlte sich immer elender. Warum stellte Joshua ihr all die Fragen? Konnte er nicht sehen, was er ihr antat? “Du bist Arzt…”
“Ich bin sogar Gynäkologe. Aber ich brauche mehr Gründe, als deine Abneigung gegen ein Kind, um so etwas zu machen. Und du willst es einfach nicht, stimmt’s?”
“Ja!” brachte sie mühsam heraus. Mit jeder Frage hasste sie ihn mehr.
“Und der Vater? Will er es?”
Joanna blickte ihn erstaunt an. “Ich weiß nicht…”
“Hast du ihn gefragt?” Joshua verzog spöttisch den Mund. “Oder hast du keine Ahnung, wer der Vater ist? Du lieber Himmel, als ich mit dir geschlafen habe, konnte ich mir überhaupt nicht vorstellen, dass du dich in ein Flittchen verwandeln würdest. Obwohl du eine Sinnlichkeit besitzt, die mich hinterher noch wochenlang verfolgt hat.” Er blickte sie abschätzend an und konzentrierte sich auf ihren bereits größer gewordenen Taillenumfang in dem gelben Sommerkleid. “Warst du schon bei deinem Arzt?” fragte er langsam.
Joanna sah, dass er blass wurde. Dir war nicht klar gewesen, dass er bis zu diesem Moment überhaupt nicht auf den Gedanken gekommen war, er könnte der Vater sein. Plötzlich dämmerte ihm die Wahrheit, und anscheinend war es jetzt ein umso schlimmerer Schock für ihn. “Ja.”
“Du … Ich … In welcher Woche bist du?”
“Ich bin schwanger seit acht Wochen, einem Tag und …” Joanna blickte auf ihre Armbanduhr.
“Und ungefähr sechs Stunden.”
Joshua atmete scharf ein. “Ich bin der Vater.”
“Ja.”
Als wäre er in Trance, stand er auf, kam um den Schreibtisch und zog Joanna auf die Füße.
Sie trug schon lose sitzende Kleider, um ihren Zustand vor ihren Eltern zu verbergen. Auch ihre Brüste waren bereits größer geworden. Joshua legte die Hand auf Joannas Bauch. “Du bekommst ein Kind von mir”, sagte er fast verwundert.
Sie konnte an seiner Reaktion erkennen, dass “der Vater” sein Band wollte! “Wirst du mir jetzt helfen?” Sie entzog sich seiner Berührung.
“Ja”, erwiderte er kurz angebunden. “Aber nicht so, wie du willst.” Seine Miene hellte sich auf. “Ich werde sichergehen, dass du meinem Kind nichts antust, Joanna.”
“Wie?” fragte sie herausfordernd.
“Indem ich dich heirate.”
Sie rang nach Atem. “Nein …”
“Ich weiß, dass du noch sehr jung bist. Wahrscheinlich fürchtest du dich davor, ein Kind zu bekommen. Aber macht dir der
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