Schwach vor Sehnsucht
mit ihr zur Vorsorgeuntersuchung. Der Arzt ließ sich viel Zeit damit, versicherte Joanna jedoch, dass alles normal sei.
Eine Woche später rief er an und bat Joshua und sie, Lindy noch einmal in die Klinik zu bringen. Auf der Fahrt dorthin war Joshua entweder in Gedanken versunken oder kurz angebunden, aber bei weitem nicht so angespannt wie Joanna.
Der Arzt war ein Freund von Joshua und erklärte ihnen genau, was Lindy hatte. Joanna verstand kein Wort und konnte nur ratlos ihren Mann ansehen. Er wurde blass, und sein Blick verriet tiefen Schmerz.
“Kannst du mir nicht ohne all die Fachausdrücke sagen, was meinem Baby fehlt?” brachte sie schließlich mühsam heraus.
“Joanna …”
Sie blickte verzweifelt wieder Joshua an. “Du verstehst, was er sagt. Erklär du mir, was mit Lindy los ist!”
Der Arzt berührte tröstend Joshuas Arm. “Ich lasse euch beide allein. Es tut mir so Leid.
Wenn ich euch irgendwie helfen kann…”
“Danke”, erwiderte Joshua rau.
Inzwischen war Joanna klar, dass es sich um etwas Schlimmes handelte. “Wird sie sterben?”
fragte sie gebrochen.
Joshua schien noch blasser zu werden. “Ich weiß es nicht.”
So niedergeschlagen auszusehen passte überhaupt nicht zu dem selbstbewussten Mann, den sie geheiratet hatte. Es machte ihr noch mehr Angst. “Was hat sie?” Ihre Stimme klang schrill.
“Im Moment nur eine Unregelmäßigkeit in ihrem Blut. Wir sind nicht sicher, wie ernst es ist…”
“Dann führt Tests durch. Tu etwas, Joshua!”
“Patrick kümmert sich gerade darum, dass Lindy jetzt sofort ins Krankenhaus kommt…”
“Nein!” Joanna drückte das Baby beschützend an sich. “Du nimmst sie mir nicht weg!”
“Joanna …”
“Ich habe Nein gesagt!”
Joshua umfasste beruhigend ihre Arme. “Du kannst bei Lindy im Krankenhaus bleiben. Ich bin nicht völlig gefühllos, Joanna.”
Tränen strömten ihr übers Gesicht, als sie auf ihre Tochter hinunterblickte. Lindy hatte das schwarze Haar ihres Vaters und die blauen Augen ihrer Mutter geerbt. Sie war wunderschön.
Es schien unvorstellbar zu sein, dass mit ihr etwas nicht stimmte. “Sie ist so klein und hilflos”, flüsterte Joanna schluchzend.
“Ich weiß, Liebling. Wir werden alles tun, was in unseren Kräften steht.”
Alles war nicht genug. Die vielen Tests und Untersuchungen erwiesen sich als zwecklos.
Lindy würde sterben. Vielleicht nicht in diesem Monat oder nicht einmal in diesem Jahr, aber sie würde schließlich sterben. Und sie konnten es nicht verhindern.
Die meiste Zeit war Lindy Völlig normal. Sie lernte mit sieben Monaten Krabbeln und mit elf Monaten Laufen und stellte alles Mögliche an. An jenen Tagen, den guten, konnte Joanna nicht glauben, dass ihre Tochter krank war.
Dann kamen die Tage, an denen Lindy still auf dem Boden oder in einem Sessel lag, blass und zu erschöpft, um sich zu rühren. Das waren die schlechten Tage, an denen Joanna wusste, dass sie Lindy verlieren würde.
Joanna machte alles selbst. Sie fütterte Lindy, zog sie an, spielte mit ihr und badete sie allein.
Ihr war klar, dass sie Joshua ausschloss und ihm eine besondere und schöne Beziehung zu seiner Tochter vorenthielt, doch sie war unfähig, sich davon abzubringen.
Er warnte sie davor, sich den ganzen Tag Lindy zu widmen. Es würde nur dazu führen, dass sie selbst krank werden würde. Er hatte Recht. Joanna bekam eine Grippe und lag eine Woche lang im Bett. Joshua blieb zu Hause und kümmerte sich um die dreijährige Lindy. In dieser Woche, lernte Joanna, ihre Tochter wieder mit ihm zu teilen und ihn erfahren zu lassen, wie viel Liebe und Freude Lindy bedeutete.
Die Beziehung zwischen Joanna und Joshua war noch immer so leidenschaftlich wie am Anfang. Oft liebten sie sich bis in die frühen Morgenstunden. Nach einer dieser unersättlichen Nächte in Joshuas Armen spürte Joanna, dass mit ihrer Tochter irgendetwas nicht in Ordnung war. Er protestierte leise, als sie aufstand und ins Kinderzimmer ging.
Lindy schien nicht zu atmen. Joshua hörte Joannas Schrei und kam herbeigerannt.
Es war ein Albtraum, den sie nicht vergessen konnte. Der Krankenwagen, Blaulichter, ein Raum in der Notaufnahme, ein Arzt, der ihnen behutsam mitteilte, er habe nichts tun können.
Der leblose kleine Körper auf der Untersuchungsliege kam Joanna unwirklich vor. Das war nicht Lindy. Ihre Lindy war zu Hause. Sie hatte eine rosige Gesichtsfarbe und ein übermütiges Lächeln, das sogar das härteste Herz
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