Schwanengesang – DuMonts Digitale Kriminal-Bibliothek: Gervase-Fen-Serie (German Edition)
schlanken Engelstrompeten ausgestattet, die sie an ihre Lippen hielten. (»Sie repräsentieren«, erläuterte Fen, »die Autorität der Universitätsaufsicht, die Oxfords Jugend zu Sittsamkeit und Mäßigung aufruft.«). Man konnte hören, wie sich Rutherston auf der Bühne bei George Green über das Benehmen der Lehrbuben während der Rauferei am Ende des zweiten Aktes beschwerte. »Sie trampeln herum«, sagte er, »wie ein Rudel Hirsche, das von einem Pekinesen angegriffen wird.« Im Orchestergraben gab ein Posaunist eine überaus glaubwürdige Imitation einer Spitfire im Sturzflug zum Besten, und ein Klarinettist übte verstohlen Jazz. John Barfield saß in der ersten Reihe des Parketts und verspeiste gerade eine große Orange.
Adam zog los, um sich bei Peacock zu entschuldigen, den er im Gespräch mit Mr. Levi in den Kulissen antraf. Mr. Levi war ein großer, freundlicher, polyglotter Jude, dessen Beherrschung der englischen Sprache beeindruckend – wenn auch manchmal nicht ganz korrekt – war.
»’allo Langley«, sagte er. »Was für eine schreckliche Verzögerung. Schrecklich, gar fabelhaft. Ich sag’s Ihnen gleich, ich konnte mit dem alten Schwindler auch nichts anfangen, den wer da abgeschaltet hat, aber wissen Sie, eine Stimme hatte er ja, sowas ’at man seit Schaljapin nicht ge’ört , famos, nicht wahr ? Und nun«, sagte Mr. Levi nicht ohne Vergnügen, »essen die Sargwürmer seine Mandeln zum Abendbrot, diese kleinen schlauen Insekten.«
Adam stellte ihm Fen vor.
»Immerhin«, fuhr Mr. Levi gut gelaunt fort, »bringen wir die Oper trotzdem auf die Bühne.« Er klopfte Peacock aufmunternd auf den Rücken. »Der Maestro ’ier, der is’ gut. Ich sag’s Ihnen gleich – er macht mit dem Orchester, was er will. Die ’ornbläser« – hier wurde Mr. Levi vor lauter Begeisterung plötzlich ganz lyrisch und wandte sich wild gestikulierend direkt an Fen – »die ’ornbläser, selbst die, ’ören ihm zu und vergessen darüber ganz, die Spucke aus ihren ’örnern zu schütteln, nicht wahr?«
Peacock nahm dieses zweifelhafte Lob verwirrt entgegen.
»Und nicht nur das «, sagte Mr. Levi. »Nicht nur die ’örner, sogar auch die Kontrabässe. Sie wissen ja, wie das mit den Kontrabässen ist. Sie zwinkern und kichern. Das liegt an den Damen«, erklärte er Elizabeth, »deswegen zwinkern und kichern die. Ich sag’s Ihnen gleich, ich ’abe Kontrabässe gesehen, die ’aben sich bei öffentlichen Konzerten dermaßen aufgeführt, meine alte Mutter würde erbleichen, aber ’eutzutage ist das ja egal, Vénus toute entière à sa proie attachée, die Damen ’aben selbst Schuld.«
Nachdem er seinen Gefühlen Luft gemacht, ihnen allen wärmstens alles Gute für die Premiere gewünscht und seiner unerschütterlichen Begeisterung für die Inszenierung Ausdruck verliehen hatte, verabschiedete Mr. Levi sich, um nach London zurückzukehren. Einige Nachzügler trudelten ein und entschuldigten sich widerwillig bei Peacock. Der Tubaspieler erschien, packte sein Instrument aus und machte darauf das Geräusch eines Nebelhorns nach, während der Rest des Orchesters in zittrigem, schwachem Falsett »Peter Grimes« anstimmte.
»Ich denke«, sagte Peacock, als er diesen Vorgang bemerkte, »wir sollten jetzt lieber anfangen.«
Ganz offensichtlich, dachte Adam bei sich, bedauerten weder Peacock noch irgendeiner der anderen, die an der Inszenierung beteiligt waren, Edwin Shorthouses Tod. Adam machte Fen gegenüber eine Bemerkung in dieser Richtung.
»Ich weiß«, sagte Fen. »Die Suche nach seinem Mörder scheint geradezu eine Taktlosigkeit zu sein.«
Joan Davis hatte sich zu ihnen gesellt, und sie warf Fen einen fragenden Blick zu. »Dann sind Sie also davon überzeugt, dass es Mord war?«
» Ich schon. Ich bin mir aber nicht so sicher, wie die Polizei darüber denkt … Adam, würdest du mich bitte vorstellen?«
Eilig kam Adam diesem Wunsch nach.
»Ihre Marschallin war großartig«, sagte Fen. »So gut wie die von Lotte Lehmann.«
Joan lachte. »Ich wünschte, Sie hätten Recht. Das wäre wirklich das allergrößte Lob …« Plötzlich veränderte sich ihre Stimme. »Professor Fen, ich stecke in Schwierigkeiten. Ich frage mich, ob Sie mir helfen können?«
»Ich werde es versuchen. Um ehrlich zu sein, wollte ich sowieso gerade mit Ihnen sprechen. Könnten wir nicht irgendwo hingehen« – bedrückt blickte Fen sich um – »wo es etwas ruhiger ist?«
»George«, fragte Joan, »was kommt als erstes an die
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