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Schwanengesang – DuMonts Digitale Kriminal-Bibliothek: Gervase-Fen-Serie (German Edition)

Schwanengesang – DuMonts Digitale Kriminal-Bibliothek: Gervase-Fen-Serie (German Edition)

Titel: Schwanengesang – DuMonts Digitale Kriminal-Bibliothek: Gervase-Fen-Serie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edmund Crispin
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gefunden.«
    »Ist es eine gute Oper?«
    »Nicht wirklich.« Joan schnitt eine Grimasse. »Aber natürlich ist er noch sehr jung, und manche Komponisten entwickeln sich erst mit dem Alter. Außerdem ist es unfair, über Musik zu urteilen, wenn man den Kopf voll mit den Meistersingern hat. Wie Puccini schon sagte, verglichen mit Wagner sind wir alle armselige Stümper. Ohne W. J. Turner zu nahe treten zu wollen …«
    »W. J. Turner«, sagte Fen schwärmerisch, »hält den Fliegenden Holländer für Wagners beste Oper.« Er machte ein trompetendes Geräusch, das vage an die Ouvertüre dieses Werkes erinnerte. »Was jedoch die Meistersinger betrifft … abgesehen von Henry IV ist es das einzige mir bekannte Stück, das mich davon überzeugen könnte, der Mensch sei edel; ganz im Gegensatz zu Macbeth und der Neunten Sinfonie, die sich in Wahrheit mit den Göttern befassen …« Er hielt inne, um Pogners Ansprache zu lauschen, die aus der Ferne leise zu ihnen heraufdrang. Dann besann er sich eilig auf die eben angesprochenen Tatsachen. »Was Judith Haynes und Edwin Shorthouse angeht …«
    »Edwin?« Im Eifer des Gefechts gab sich Joan ein wenig zu indifferent. »Ich denke, er hat sich Hoffnungen gemacht wegen Judith. Aber seine Absichten waren, gelinde gesagt, keinesfalls ehrbar.«
    »Wie kommen Sie darauf?« Fens Augen blitzten so merkwürdig wie die einer Schlange, die sich einem besonders leichtgläubigen und vertrauensseligen Kaninchen gegenübersieht.
    »Ach, ich … so war Edwin nun einmal.«
    »Es gab da kein bestimmtes Vorkommnis …«
    »Um ehrlich zu sein«, unterbrach ihn Joan, »habe ich mein Wort gegeben.«
    »Das sollten Sie besser brechen«, sagte Fen und lehnte sich in seinem Sessel zurück. »Ausgenommen natürlich, diese jungen Leuten hätten etwas Schändliches getan, das Sie vertuschen wollen.«
    »Nein … nein. Aber trotzdem …«
    »Wenn ich Ihnen nun sage, dass das Leben einer dritten Person davon abhängt – würden Sie es sich dann anders überlegen?«
    »Meinen Sie das im Ernst?«
    »Vollkommen.«
    »Aber die beiden können unmöglich etwas damit zu tun haben.«
    »Wahrscheinlich haben sie es nicht. Aber jedes kleinste Stückchen an Beweismaterial ist von Bedeutung.«
    Joan zögerte. Dann: »Nun, was soll’s«, sagte sie, »raus damit … Edwin hat mehr oder weniger versucht, Judith Haynes zu vergewaltigen, als er betrunken war. Und Boris Stapleton hat davon erfahren.«
    Sie führte das weiter aus. »Arme Judith«, sagte sie. »›Verrutschte Kleidung‹, wie die Sonntagszeitungen es nennen. Ich glaube nicht, dass ich jemals zuvor in einem menschlichen Gesicht so viel Ekel und Hass gesehen habe – die Kleine ist von Natur aus prüde … Nun ja, derartige Übergriffe führen selten zum Erfolg, selbst wenn kein Alkohol im Spiel ist. Ich habe natürlich trotzdem eingegriffen.«
    »Was haben Sie getan?«, fragte Fen interessiert.
    »Ich habe ihn beim Kragen und am Hosenboden gepackt«, sagte Joan, in der Erinnerung schwelgend. »Das muss etwas besonders Verstörendes haben, denn die meisten Männer sind daraufhin wie gelähmt … Dann habe ich ihn aus dem Gleichgewicht gebracht. Er fiel hin und schlug mit dem Kopf auf.«
    An diesen amazonenhaften Techniken fand Fen offenbar Gefallen. »Sehr gut gemacht«, stimmte er lobend zu. »Aber wie hat Stapleton davon erfahren?«
    »Judith muss es ihm erzählt haben. Am nächsten Tag kam er zu mir, um sich zu bedanken, und er sah irgendwie merkwürdig aus. Aber … nun, zweifellos hat ihn das Ganze sehr mitgenommen.« Sie verstummte, und als Fen nichts sagte: »Ich nehme an, das verlängert ihre Liste von Motiven?«
    »Nur unwesentlich«, sagte Fen. Mittlerweile hatte er sich regelrecht hingefläzt. Seine langen Beine waren in Richtung der Heizung ausgestreckt, sein goldenes Zigarettenetui steckte, für einen Moment vergessen, in seiner rechten Hand. »Es bestätigt nur den Verdacht, den ich ohnehin schon hatte. Und nun zu dem, was Sie selbst gestern Abend gemacht haben …«
    »Rein routinehalber.«
    »Genau das wollte ich gerade sagen«, bemerkte Fen wohlwollend. Er gab ihr eine Zigarette und steckte das Etui dann wieder ein. »Irgendein Alibi?«
    »Überhaupt keins. Direkt nach unserer Zusammenkunft im ›Randolph‹ ging ich zurück zum ›Mace and Sceptre‹ und legte mich schlafen. Das dürfte so gegen kurz nach neun gewesen sein.«
    »Und danach hätten Sie jederzeit die Möglichkeit gehabt, sich als Atomphysiker verkleidet hinauszuschleichen, ohne

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