Schwanengesang – DuMonts Digitale Kriminal-Bibliothek: Gervase-Fen-Serie (German Edition)
kann, um uns wieder zurückzubringen.«
»Uns zurückzubringen?« Elizabeth sprach mit höflichem Unverständnis.
»Zu dem, was wir beispielsweise während unserer Flitterwochen empfanden.«
Elizabeth blickte zu ihm auf, und in ihren Augen sah er keine Sympathie. »Ist das so erstrebenswert? Früher oder später müssen wir für unsere Ehe eine rationale Grundlage finden. Man kann kaum erwarten, dass wir uns für den Rest unseres Lebens gegenseitig anhimmeln.«
»Es tut mir leid«, sagte Adam verbittert, »dass meine Versuche, dich glücklich zu machen, in die Kategorie ›anhimmeln‹ gehören.«
»Nur kein Selbstmitleid, mein Lieber. Das ist noch nie ein schöner Anblick gewesen.«
Mit Mühe riss Adam sich zusammen. »Ich entschuldige mich«, sagte er. »Zweifellos habe ich viele Verhaltensweisen, die dich reizen. Ich wünschte jedoch, du würdest mit mir darüber reden. Dann könnte ich sie vielleicht abstellen.«
»Mein Lieber«, sagte Elizabeth – und es war die ständige Wiederholung dieser bedeutungslosen Anrede, die Adam mehr als alles andere zur Verzweiflung trieb – »wenn du nicht in der Lage bist, deine eigenen Fehler zu erkennen, wird dir auch eine von mir aufgestellte Liste nicht weiterhelfen. Man bringt nicht einen blinden Mann zum Sehen, indem man für ihn eine Aufzählung von Blumen herunterrasselt.«
»Es ist dir noch nicht in den Sinn gekommen, dass du selbst auch nicht gerade perfekt bist?«
Elizabeths Wut stieg an die Oberfläche. »Selbstverständlich bin ich nicht perfekt. Das ändert aber nichts an der Tatsache, dass du dich verdammt unhöflich benimmst.«
»Ich habe nur versucht, diese … diese Unstimmigkeiten zwischen uns an der Wurzel zu packen.«
»Deine Vorgehensweise ist recht merkwürdig.« Elizabeth erhob sich, während sie ihre Briefe und ihren Block einsammelte. »Offensichtlich lässt du mich das, was ich gerade tun möchte, nicht zu Ende machen. Ich gehe nach oben. Würdest du mich bitte nicht stören?«
Sie verließ die Lounge. Niedergeschlagen begab sich Adam zurück zu seinem Sessel. Das war noch viel schlimmer gewesen als ihr erster Streit; es war kalt und heftig gewesen. Ohne es wirklich zu wollen, waren sie in eine Krise hineingeschlittert.
Und es waren schon die Ereignisse des folgenden Abends nötig, um sie davon zu heilen.
Joan Davis und George Peacock gingen im Garten des St. John’s College spazieren.
Eine verschwommene, blassgelbe Sonne bemühte sich durchzubrechen, aber die Luft war feucht und kalt, deswegen liefen sie schnell. Peacock machte große, weit ausholende Schritte, während Joan hin und wieder einen Hüpfer einlegen musste, um auf seiner Höhe zu bleiben. Ihr kam der schmerzliche Gedanke, dass es eine ganze Weile her war, seit sie sich, um in Gesellschaft eines Mannes zu sein, solche – wenn auch geringfügigen – Unannehmlichkeiten gemacht hatte. Mehrere Male umrundeten sie das große, in der Mitte gelegene Rasenstück. Peacock schien nicht erpicht darauf, diesen Orbit zu verlassen.
»Man fühlt sich«, wagte Joan einen Vorstoß, »wie ein Hamster in seinem Rad. Oder wie diese Alpinisten, die sich durch einen Schneesturm kämpfen und immer wieder an dem Ort landen, von dem sie losgegangen sind.«
Er warf ihr einen kurzen Blick zu. »Langweilen Sie sich?«
»Natürlich nicht. Sonst wäre ich nicht hier.«
Für eine Weile liefen sie schweigend weiter. Peacock war schon normalerweise nicht besonders redselig, doch im Moment war er in so tiefes Schweigen versunken, dass es geradezu unhöflich wirkte. »Natürlich ist es mein eigener Fehler«, dachte Joan. »Ich habe diesen Spaziergang selbst vorgeschlagen, und der arme Teufel konnte kaum ablehnen … Nein, das ist Unsinn. Er hätte ebenso gut sagen können, dass er sich vor der Premiere ausruhen möchte. Vermutlich macht er sich nicht besonders viel aus meiner Gesellschaft.«
Laut fragte sie: »Sind Sie gar nicht nervös wegen heute Abend?«
Er lachte. »Ganz schrecklich. Der Kassierer hat mir erzählt, dass Ernest Newman anwesend sein wird.«
»Was könnte besser sein?«
»Eine ganze Menge Sachen könnte besser sein. Vor Ernest Newman Wagner zu dirigieren muss so ähnlich sein, wie einem der Erzengel einen Vortrag über das Wesen des Göttlichen zu halten … Wie auch immer, wahrscheinlich werde ich’s überleben.«
»Sind Sie zufrieden damit, wie die Dinge sich entwickelt haben?«
»Das Verhalten des Ensembles«, sagte er, »erfüllt mich mit Dankbarkeit. Jeder Einzelne von
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