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Schwanengesang – DuMonts Digitale Kriminal-Bibliothek: Gervase-Fen-Serie (German Edition)

Schwanengesang – DuMonts Digitale Kriminal-Bibliothek: Gervase-Fen-Serie (German Edition)

Titel: Schwanengesang – DuMonts Digitale Kriminal-Bibliothek: Gervase-Fen-Serie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edmund Crispin
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langsam, mit herabhängenden Schultern und vom Weinen ganz hässlich gewordenen Augen. Bald hatte sie das Radcliffe-Institut für Naturwissenschaften erreicht und stieg die Treppe zur Bibliothek hinauf. Die Bibliothekarin blickte auf, als sie eintrat.
    »Ist es mir erlaubt, die Bibliothek zu benutzen?«
    »Sind Sie Studentin der Naturwissenschaften?«
    »Nein.«
    »In diesem Fall darf ich Ihnen die Erlaubnis nur erteilen, wenn Sie Absolventin sind.«
    »Ich bin Absolventin«, log Judith.
    »Ich verstehe. Würden Sie bitte Ihren Namen, Ihren akademischen Grad und den Namen Ihres College in dieses Buch eintragen?«
    Judith schrieb: »Ann Matthews, B. A., St. Hilda’s.«
    »Ich suche die Abteilung für Gerichtsmedizin«, sagte sie.
    »Geradeaus, zweiter Gang rechts.«
    »Vielen Dank.«
    In der Bibliothek hielten sich nur sehr wenige andere Leute auf. Judith nahm ein Standardwerk aus dem Regal, setzte sich an einen Tisch und schlug den Artikel über Lebensmittelvergiftung auf. Darüber brütete sie eine Weile, ohne zu einem befriedigenden Ergebnis zu kommen. Gedankenverloren blätterte sie in dem Buch herum, bis ihr einige Worte aus dem Abschnitt über Arsen ins Auge sprangen.
    »Fortschreitende Kachexie und Gewichtsabnahme treten ein «, las sie, » resultierend aus Mangelernährung sowie physischer und mentaler Erschöpfung. Für gewöhnlich ist die Zunge belegt, sie kann auch rot und schmerzempfindlich sein. Oftmals stellt sich eine Rachenreizung ein, die von ständigem Räuspern oder einer Kehlkopfentzündung begleitet wird. Die Augen sind blutunterlaufen und tränen, die Bindehaut ist gerötet und brennt, die Augenlider können geschwollen sein.
    Gastritische Beschwerden mit Brechanfällen und Durchfall sind die Regel, und im Allgemeinen treten Appetitlosigkeit und Widerwillen gegen Essbares auf … Eventuell kann eine ekzemartige Veränderung der Haut, Verfärbungen sowie Verhornungen an Handflächen und Fußsohlen beobachtet werden. Gelegentlich zeigt sich auf Finger- und Fußnägeln ein weißer Streifen.
    Die nervösen Symptome können deutlich oder schwach ausgeprägt sein. Taubheitsgefühl und Kribbeln in Händen und Füßen, begleitet von Schmerzempfindlichkeit, sowie allgemeine Schmerzempfindlichkeit der Muskeln sind die zuerst genannten Symptome. An diese Anzeichen einer peripheren Neuritis schließen sich Muskelschwund und Parese oder Paralyse an.«
    Nach kurzem Zögern schlug Judith den Abschnitt über »Methoden der Verabreichung« auf. Der Mann, der ihr auf der Parks Road gefolgt war und der einen kurzen Moment über dem Besucherregister der Bibliothek verweilt hatte, bevor er ebenfalls den Raum betrat, schob sich an ihrem Stuhl vorbei, um sich aus dem Regal hinter hier ein Buch zu nehmen. Aber sie sah nicht hoch.
    Boris Stapleton lag auf einem Seziertisch, nackt und auf dem Rücken. Vorsichtig griff ein junger Arzt, der Gummihandschuhe trug, in den langen Schnitt in seinem Bauch, um Magen und Darm herauszunehmen. Der starke Äthergeruch in dem Raum reichte nicht aus, um den Geruch zu überdecken, der sich nach dem Öffnen der Leiche ausbreitete.
    »Gütiger Gott«, sagte der junge Arzt, »was haben diese Kadaver doch für einen Gestank.«
    Ein älterer Mann, der an einem Nebentisch arbeitete, runzelte für einen Augenblick die Stirn.
    »Um Himmels Willen«, bemerkte er, »denk daran, dass der arme Teufel vor vierundzwanzig Stunden noch genauso lebendig war wie du.«
    »Ach«, sagte der junge Arzt. »Innerhalb von vierundzwanzig Stunden kann jede Menge passieren.« Er setzte den letzten Schnitt. »Den Marsh-Test oder den Reinsch?«
    Gegen fünf Uhr überbrachte der Hoteldiener Adam eine Nachricht, die eben von einem kleinen, schmuddeligen Jungen abgegeben worden war.
    » Triff mich, sobald du kannst «, lautete sie , »in Judiths Zimmer. Erster Stock, zweite Tür rechts. Es ist dringend .« Der Zettel war mit »G. F.« unterzeichnet. Adam verschwendete keinen Gedanken daran, dass er Fens Handschrift bisher noch nie gesehen hatte. Er zögerte und ging dann zu seinem Zimmer hinauf. Elizabeth öffnete ihm die Tür. Er sah, dass sie geweint hatte.
    »Ich bin nur gekommen, um dir zu sagen«, sagte er verlegen, »dass ich weg muss, um Fen in Judiths Wohnung zu treffen. Danach werde ich direkt zum Opernhaus gehen.«
    »Ach so.«
    »Du kommst doch zur Premiere?«
    »Ich weiß es noch nicht.«
    »Wenn du dort bist, dann komm danach doch in meine Garderobe … Elizabeth, es tut mir leid.«
    Sie erwiderte nichts.

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