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Schwanengesang – DuMonts Digitale Kriminal-Bibliothek: Gervase-Fen-Serie (German Edition)

Schwanengesang – DuMonts Digitale Kriminal-Bibliothek: Gervase-Fen-Serie (German Edition)

Titel: Schwanengesang – DuMonts Digitale Kriminal-Bibliothek: Gervase-Fen-Serie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edmund Crispin
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euch weiß zehn Mal mehr über die Oper als ich, und trotzdem habt ihr euch wie verrückt ins Zeug gelegt, um das Ergebnis zu erzielen, das ich mir vorgestellt hatte. Mehr Glück hätte ich nicht haben können.«
    Joan war seltsam gerührt. »Machen Sie sich nicht lächerlich«, sagte sie warmherzig. »Wir hätten Sie bis aufs Blut bekämpft, wenn Sie nicht ganz offensichtlich etwas von ihrem Geschäft verstünden. Und außerdem war es nur zu unserem Besten. Wahrscheinlich werden wir die Lorbeeren für Ihre Ideen einheimsen … Was werden Sie tun, wenn die Aufführungen vorbei sind?«
    »Das hängt von Levi ab … Ich denke, dass ich hier ein langfristiges Engagement bekommen könnte, wenn die Meistersinger ein Erfolg werden.«
    »Dann brauchen Sie sich keine Sorgen zu machen. Der Job ist Ihnen so gut wie sicher.«
    Geistesabwesend blieben sie stehen, um ein Rotkehlchen zu beobachten, das ziellos am Rand der Rasenfläche umherhüpfte. Nach einer Weile sagte Peacock:
    »Darf ich Ihnen eine persönliche Frage stellen?«
    »Natürlich.«
    »Sie sind nicht verheiratet, oder?«
    »Nicht mehr. Vor einigen Jahren noch war ich’s, aber ich habe mich von meinem Mann scheiden lassen. Ich glaube, unser Eheglück hielt nach dem Verlassen der Kirche noch etwa dreizehn Stunden an … Wie auch immer, es ist egal. Es ist vorbei, Gott sei Dank.«
    »Würden Sie … Ich nehme an, Sie haben noch nicht darüber nachgedacht, mich zu heiraten?«
    Joan blickte zu ihm auf. Ihr koboldhaftes Gesicht war zu einem halben Lächeln verzogen, und merkwürdigerweise standen ihr Tränen in den Augen. »Vielen Dank«, sagte sie. »Aber wäre das eine gute Idee?«
    »Ich weiß, dass ich nicht …«
    »Ich meinte, von Ihrem Standpunkt aus betrachtet. Sollten Sie nicht jemanden heiraten, der viel jünger ist als ich? ›Mein Kind‹ «, zitierte sie, » ›von Tristan und Isolde kenn’ ich ein traurig Stück: Hans Sachs war klug und wollte nichts von Herrn Markes Glück.‹ … Das ist vielleicht nicht ganz treffend. Sie sollten eher an Hofmannsthals Marschallin denken …« Und zu sich selbst sagte sie: »Wozu dieses dämliche, verschwommene Geschwätz? Mittlerweile sollte ich alt genug sein, um wegen eines Heiratsantrages nicht gleich den Kopf zu verlieren.«
    Peacock sprach unbeholfen weiter. »Wenn Sie damit sagen wollen, dass Sie nicht …«
    »Ich will sagen«, unterbrach sie ihn, »dass es nur fair ist, Ihnen die ungeschönte Wahrheit vor Augen zu halten. Ich bin fünfunddreißig – alles andere als in der fleur de mes jours . Ich weiß«, redete sie schnell weiter, als er seinen Mund öffnete, um etwas zu entgegnen, »dass man Frauen in meinem Alter höflicherweise als reif bezeichnet. Das Traurige an der Reife ist aber, dass sie mit der Jugend nicht gleichzusetzen ist, und ein Mann, der eine reife Frau ehelicht, ist in derselben Lage wie jemand, der dazu verdammt ist, all seine Einkäufe in einem Second-Hand-Laden zu machen.« Sie zögerte. »Sie verstehen, was ich meine?«
    Er senkte den Kopf. »Es tut mir leid«, sagte er. »Es war vermessen von mir.« Und unvermittelt ließ er sie stehen und stakste über den Rasen in Richtung des College davon.
    Während sie ihm nachblickte, füllten ihre Augen sich mit Tränen. Das, sagte sie verbittert zu sich selbst, hat man davon, wenn man in Ehefragen vernünftig sein und einen kühlen Kopf bewahren will. Offensichtlich dachte er, sie wolle vermeiden, ihn durch eine direkte Absage zu verletzen. Und jeder Augenblick, der nun verstrich, machte es unmöglicher, das Thema je noch einmal anzuschneiden. Ihr Stolz, das wusste sie, würde es ihr verbieten, Stunden später zu ihm zu gehen und zu sagen: »Was unser Gespräch heute Nachmittag betrifft …« Nein, ganz undenkbar. Und er wiederum war zu sensibel, um sein Angebot zu wiederholen. Das Glück entschlüpfte ihr, gemeinsam mit seiner sich entfernenden Gestalt. Schnell, eine Entscheidung!
    Sie rannte ihm nach. »Warte!«, keuchte sie. »Warte auf mich!«
    Er blieb stehen, drehte sich um. Als sie näher kam, sah er, dass ihre Augen strahlten und ihre Wangen vor Kälte ganz rot waren. Sie schloss zu ihm auf und hielt dann inne, teils aus Verlegenheit, teils, um wieder zu Atem zu kommen. Er nahm ihre Hand in seine und gab ihr einen flüchtigen, zaghaften Kuss auf den Mund.
    »In Second-Hand-Läden«, sagte er ernst, »findet man heutzutage die besten Stücke.«

Kapitel 21
    Beatrix Thorn und der Meister saßen in der Eingangshalles des Hotel

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