Schwanengesang (German Edition)
sagte er leise.
»Wieso?«
»Sein gesamtes Geld hat in dem Unternehmen gesteckt. Und seine Praxis lief nach Jennifers Tod auch nicht mehr richtig. Er hatte zwar noch jede Menge Patienten, aber die haben kein Geld gebracht. Gerd hat viele Obdachlose kostenlos behandelt. Als es uns wirtschaftlich noch gut ging, war das kein Problem, aber jetzt … Ich weiß ehrlich gesagt nicht, was ohne Heinol aus ihm geworden wäre.«
37
»Setzen!« Kriminalhauptkommissar Templin zeigte auf einen Stuhl und Marc tat ihm den Gefallen. Der fensterlose Raum im Bielefelder Polizeipräsidium wies die übliche Einrichtung auf: einen riesigen Einwegspiegel, einen Tisch mit Mikrofon, drei Stühle und eine leise summende Neonröhre an der Decke. Templin hatte gerade gegenüber von Marc Platz genommen, da betrat auch Hauptkommissar Weskamp das Zimmer. Er nickte Marc kurz zu, dann setzte er sich neben seinen Kollegen.
»Ich nehme an, Sie sind sich über Ihre neue Situation bewusst, Herr Hagen?«, erkundigte sich Templin.
»In welcher Hinsicht?«
»In der Hinsicht, dass Sie nicht nur unter Verdacht stehen, Johanna Reichert ermordet zu haben, sondern auch Herrn Dr. Heinen.«
Marc schüttelte belustigt den Kopf. »Das glauben Sie doch nicht im Ernst! Wenn ich Heinen tatsächlich umgebracht hätte, warum hätte ich Sie dann zu seiner Leiche führen sollen?«
»Vielleicht halten Sie sich ja für besonders schlau.«
»Auf jeden Fall für schlauer als Sie. Denn eigentlich hätten Sie die Leiche in der Fischerhütte finden müssen. Sie hatten aufgrund Ihrer Hausdurchsuchung bei Heinen schließlich die gleichen Informationen wie ich.«
Marc sah, dass auf Templins Stirn eine Zornesfalte anschwoll. »Ich will Ihnen jetzt mal was sagen, Sie Klugscheißer«, motzte er. »Nur weil Sie einen Glückstreffer gelandet haben, ist das kein Grund, hier große Töne zu spucken. Wir haben Berge von Papier aus Heinens Wohnung geholt, außerdem seinen PC. Um das alles sofort auszuwerten, fehlt es uns schlichtweg an Personal. Außerdem war Heinen ein erwachsener Mann, kein verschwundenes Kind, bei dem sofort alle Hebel in Bewegung gesetzt werden.«
Marc unterdrückte ein Grinsen. Er hatte es geschafft, den Polizisten aus der Reserve zu locken. Eins zu null.
Templin war immer noch in Rage. »Und Sie sagen uns jetzt, wie Sie die Leiche gefunden haben«, blaffte er Marc an.
»Das habe ich Ihnen schon zwei Mal erzählt«, erwiderte Marc ruhig. »Ich sehe keinen Sinn darin, die Geschichte ein drittes Mal zu wiederholen.«
»Was hier sinnvoll ist und was nicht, können Sie getrost uns überlassen«, fauchte Templin. »Also, wie haben Sie Heinen gefunden?«
»Das wissen Sie doch!«, gab Marc zurück. »Mich würde viel mehr interessieren, wie lange Heinen schon tot war, als ich ihn gefunden habe.«
Templin schnaubte. »Die Fragen stellen immer noch wir.«
»Mir ist kein Paragraf der Strafprozessordnung bekannt, der es einem Beschuldigten verbietet, seinerseits Fragen zu stellen. Ich gebe zu, ich kann Sie nicht zwingen zu antworten, aber genauso wenig bin ich dazu verpflichtet, hier irgendetwas zu sagen. Darüber haben Sie mich ja sogar belehrt. Falls Sie also nicht bereit sein sollten, auf meine Fragen zu antworten, werden Sie aus mir kein weiteres Wort herausbekommen und wenn Sie mich noch stundenlang hier sitzen lassen. Ich schlage also vor, wir nutzen die Zeit für ein gemeinsames …«, Marc hielt inne und suchte nach dem richtigen Wort, »… nennen wir es doch Brainstorming. Ich bin schließlich genauso daran interessiert, diese Sache aufzuklären wie Sie. Vielleicht sogar noch ein bisschen mehr. Wir tauschen also aus, was wir wissen, und vielleicht kommt dabei ja am Ende etwas heraus, was beiden Seiten nützt. Eine klassische Win-win-Situation, wenn Sie so wollen.«
Templin grinste überheblich. »Wir sind auf Ihre Meinung nicht angewiesen, Hagen«, sagte er. »Wir wissen alles, was wir wissen müssen: Tatsache ist, dass Sie Johanna Reichert getötet haben, was eine DVD beweist. Tatsache ist, dass Sie ein Motiv hatten, Frau Reichert zu ermorden, wie sich aus ihrem Testament ergibt. Tatsache ist, dass Heinen tot ist, der einzige Mensch, der Sie hätte entlasten können. Tatsache ist, dass wir mit dem, was wir jetzt schon haben, von jedem Richter der Welt einen Haftbefehl gegen Sie bekommen werden.«
»Tatsache ist aber auch, dass Sie bis jetzt keinen Haftbefehl beantragt haben«, erwiderte Marc kühl. »Sie werden Ihre Gründe dafür haben. Und
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