Schwanengesang (German Edition)
Also doch! Aber der Arzt war fast dreißig Jahre älter als sie gewesen.
Marc wusste, dass Melanies Vater seine Familie bereits sehr früh verlassen hatte und sie praktisch ohne ihn aufgewachsen war. Vielleicht fühlte sie sich deshalb zu älteren Männern hingezogen. Die Ähnlichkeit zwischen Heinen und Melanies Vater war ihm schließlich sofort aufgefallen. Marc schoss der Gedanke durch den Kopf, dass er auch zehn Jahre älter als seine Freundin war.
Marc hatte sich noch nicht von dem ersten Schock erholt, als Templin die nächste Bombe platzen ließ. »Wir haben in dem Nachttisch Ihrer Lebensgefährtin übrigens noch etwas gefunden«, fuhr er fort. »Eine DVD mit der Aufnahme von Johanna Reicherts Tod.«
Marc schloss für einen Moment die Augen. Das konnte doch nicht wahr sein!
Aber Templin war immer noch nicht fertig. »Nun ja, aufgrund dieser Funde werden Sie verstehen, dass wir von einer Verbindung Ihrer Lebensgefährtin zu Dr. Heinen ausgehen mussten. Wir haben Frau Schubert überwacht, weil wir gehofft haben, dass sie uns zu ihm führt. Allerdings haben wir die Überwachung nach dem Fund von Heinens Leiche beendet. Das haben Sie ja freundlicherweise übernommen, Herr Hagen.«
Marc nickte langsam. Er spürte, dass Templin ihm irgend etwas verschwieg. Auch Weskamp schien auf eine Fortsetzung zu warten, denn er schaute seinen Kollegen mit erhobenen Augenbrauen an.
Doch Templin hatte sich schon einem anderen Thema zugewandt. »So, ich denke, wir haben Sie jetzt ausführlich aufgeklärt. Vielleicht können wir jetzt unser Verhör beginnen?«
Marc nickte matt. Er bemühte sich, alle Fragen der Polizisten zu beantworten. Das gelang ihm allerdings nur, weil er die Prozedur schon zweimal hinter sich gebracht hatte. Mit seinen Gedanken war er ganz woanders.
38
Als die Polizisten Marc endlich gehen ließen, war es bereits dunkel. Marc trat auf die Straße vor dem Präsidium und atmete tief durch. Er hatte nur noch einen Gedanken: Er musste mit Melanie sprechen und hören, was sie zu den Funden in ihrem Nachttisch zu sagen hatte.
Als er bei Bea ankam, parkte Melanies Suzuki an der Straße. Marc stieg aus und lief auf das Haus zu. Dort drückte er den linken Daumen auf den Klingelknopf, während er mit der rechten Faust die Tür bearbeitete.
Wenige Sekunden später wurde die Tür aufgerissen und Beatrice erschien. Mit ihrer Statur füllte sie fast den ganzen Rahmen aus. »Bist du verrückt geworden, Marc? Verschwinde!«
Marc versuchte, ruhig zu bleiben. »Ich muss Melanie sprechen! Sofort!«
»Melanie ist nicht da«, antwortete Beatrice scharf.
»Aber ihr Wagen steht doch vor der Tür!«
»Sie ist zu Fuß gegangen, stell dir vor. Und selbst wenn sie da wäre, würde sie nicht mir dir reden wollen. Das hat sie mir ausdrücklich so gesagt!«
Marc trat einen Schritt vor, aber im gleichen Augenblick presste Bea ihre Hände rechts und links gegen den Türrahmen. Die Geste war eindeutig: Du kommst hier nicht rein!
Marc gab sich geschlagen. »Könntest du mir wenigstens einen Gefallen tun? Wenn Melanie zurückkommt, soll sie sich bitte sofort bei mir melden. Es ist wirklich wichtig!«
Beatrice machte ein Gesicht, als liege ihr nichts ferner, als Marc einen Gefallen zu tun. Doch schließlich sagte sie: »Mal sehen, aber ich kann nichts versprechen. Und jetzt verschwinde!« Mit diesen Worten knallte sie Marc die Tür vor der Nase zu.
Geknickt stieg Marc wieder in seinen Wagen und machte sich auf den Weg zu Charlotte Vollmer.
In Ermangelung einer Parklücke steuerte Marc den Golf einfach auf Charlotte Vollmers Einfahrt und stellte ihn direkt vor der Garage ab. Dann stieg er aus und sah sich um. Die meisten Rollläden waren schon heruntergelassen, aber aus einem Fenster drang das bläuliche Flackern eines Fernsehers nach draußen. Charlotte Vollmer war also zu Hause.
Marc schellte. Keine Reaktion. Also versuchte er es noch einmal, aber diesmal hielt er den Finger einige Sekunden länger auf dem Klingelknopf. Immer noch nichts.
Kurz entschlossen ballte er die rechte Hand zur Faust und hämmerte damit gegen die Tür.
»Frau Vollmer, ich weiß, dass Sie da sind«, rief er. »Machen Sie bitte auf! Es ist wichtig.«
Marc wartete eine halbe Minute. Dann trommelte er noch einmal gegen die Tür. »Es ist wirklich wichtig, Frau Vollmer.«
Marc wollte gerade aufgeben, als er das Geräusch eines Riegels hörte, der zurückgeschoben wurde. Die Tür wurde geöffnet und Charlotte Vollmer stand vor ihm. Sie trug ein
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