Schwanengesang (German Edition)
Arbeitslager?«
»348636«, kam Gabriels Antwort wie aus der Pistole geschossen.
»348636«, wiederholte Marc langsam. »Ich habe gewusst, dass du das beantworten kannst! Aber es war natürlich auch eine blöde Frage. Du hast sie mir mindestens schon ein Dutzend Mal gestellt.« Er richtete den Blick zur Decke, als müsse er nachdenken. »348636«, wiederholte er. »Irgendwo habe ich diese Zahl kürzlich doch schon mal gesehen!« Er schnippte mit den Fingern. »Richtig, gestern in Charlotte Vollmers Wohnung. Es war das Passwort ihres PCs. Und weißt du, was noch merkwürdig ist? Charlotte Vollmer hat mir erzählt, sie habe sich dieses Passwort nicht selbst ausgedacht. Das sei ein Bekannter von ihr gewesen. Und damit komme ich zur Frage Nummer fünf: Welcher Mensch außer dir würde auf die Idee kommen, sich ausgerechnet J. R.s Häftlingsnummer als Passwort für einen PC auszudenken? Na, was glaubst du?« Er schaute Gabriel gespannt an.
Der musterte Marc mit unbeweglichem Gesicht. »Das ist aber jetzt nicht gerade eine klassische Dallas -Frage«, sagte er schließlich.
»Vielleicht nicht unbedingt eine klassische, aber doch immerhin eine Dallas -Frage, wie du zugeben musst. Also los, Gabriel, streng dich ein wenig an. Es geht immerhin um ein Essen.«
»Gut, lass mich nachdenken.« Gabriel legte maniriert die Fingerspitzen an die Schläfen und begann, sie zu massieren. »Vielleicht war es der Herr Zufall«, schlug er dann vor.
»Oh, oh«, sagte Marc. »Ich fürchte, das war die falsche Antwort und du hast die Wette verloren. Die richtige Antwort lautet: niemand! Niemand außer dir wäre auf die Idee für dieses Passwort gekommen. Es sei denn, in Charlotte Vollmers Bekanntenkreis gibt es einen ähnlich fanatischen Fan wie dich, was äußerst unwahrscheinlich ist. Und wenn du meine und deine Intelligenz nicht beleidigen willst, wirst du das zugeben müssen.«
Gabriel atmete hörbar aus. »Kommt jetzt wieder eine von deinen wilden Theorien, Marc?«
»Nein, der Unterschied besteht darin, dass ich meine Theorie diesmal beweisen kann.«
41
Gabriel starrte eine geschlagene Minute aus dem Fenster. Als er sich wieder Marc zuwandte, fragte er: »Was soll das hier werden? Bist du verkabelt?«
Marc stand auf und breitete die Arme aus. »Nein! Aber du kannst mich gerne abtasten.«
Gabriel schüttelte erschöpft den Kopf. »Nee, ist schon okay. Also gut, ich gebe es zu: Ich kenne … kannte Charlotte Vollmer. Ich habe sie vor einigen Monaten zufällig in einem Modegeschäft gesehen. Das war eine ähnliche Szene wie in Zeugin der Anklage, als Leonard Vole Emily French trifft, die einen Hut aufprobiert. Allerdings war es im Fall von Charlotte kein Hut, sondern ein Kleid. Ich habe durch das Schaufenster beobachtet, wie sie verschiedene Kleider anprobiert und dazu den Daumen gehoben oder gesenkt. So sind wir ins Gespräch gekommen und wurden dann irgendwann auch ein Paar.«
»Ist das ein Geständnis?«, fragte Marc.
»Wie kommst du darauf?«
»Nun, Leonard Vole hat Emily French ermordet.«
Gabriel zog scharf die Luft ein. »Nein, das ist kein Geständnis. Ich habe mit dieser ganzen Sache nichts zu tun. Ich hatte keinerlei finanzielles Interesse an Charlotte. Es hört sich vielleicht blöd an, aber es war anfangs rein … rein körperlich. Seit der Trennung von Julia hatte ich nichts mehr mit anderen Frauen und irgendwann melden sich halt wieder gewisse Bedürfnisse. Charlotte hat mich irgendwie an Marilee Stone erinnert, dieses sexbesessene Biest aus dem Kartell. Bis zu dem Tag hätte ich nie gedacht, dass ich eine wesentlich ältere Frau sexuell attraktiv finden könnte. Charlotte hatte zu dem Zeitpunkt noch ein Verhältnis mit Heinen, das die beiden aber verheimlicht haben. Ich glaube, das war wegen Johanna Reichert, die wohl selbst in Heinen verliebt war. Mir hat Charlotte gesagt, sie habe ihre Beziehung zu Heinen beendet. Wie ich aber vorgestern von ihr erfahren habe, stimmte das nicht ganz. Sie haben auf jeden Fall noch so etwas wie eine Geschäftsbeziehung unterhalten. Du lagst mit deiner Theorie zumindest teilweise richtig: Die beiden haben geplant, Johanna Reichert zu ermorden, damit Charlotte das Geld aus der Lebensversicherung kassieren konnte. Beide wollten das Geld teilen und du solltest der Sündenbock sein. Aber davon habe ich bis vor zwei Tagen nichts gewusst, das schwöre ich.«
»Warum hast du mir das alles nicht schon vorgestern gesagt?«
»Das konnte ich nicht, zumindest nicht sofort. Ich habe
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