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Schwanengrab

Schwanengrab

Titel: Schwanengrab Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Schwarz
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nichts an, aberverstehen Sie ... alle erschrecken, wenn sie mich sehen, sogar in der Eisdiele ... als wäre ich ein Gespenst ...« Ich beendete den Satz nicht. Warum kam ich mir plötzlich vor wie ein Schwerverbrecher, nur weil ich etwas über meine Doppelgängerin wissen wollte?
    Wieder nickte Frau Fuhrmann. Dann stand sie wortlos auf und ging in Richtung Tür. Wollte sie mich wieder rauswerfen? Nein, sie durchwühlte einige Papierstapel in einem Regal, dann zog sie ein dickes Heft hervor, kam zurück an ihren Schreibtisch, setzte sich wortlos wieder hin und legte es so vor mich, dass ich es lesen konnte.
    »Jahresbericht«, stand in fetten Buchstaben darauf. Dann die Jahreszahl des vergangenen Schuljahres und das Logo der Schule. Sie blätterte einige Seiten um, dann deutete sie auf ein Klassenfoto. Ich erkannte sofort Herrn Simon. Auch Caro und Geli und daneben – mich. Ich zuckte zusammen. Das also war Veronika. Sie sah mir wirklich sehr ähnlich. Dieselbe Frisur: gleiche Länge, sogar die leichten Wellen darin, nur waren ihre Haare einen Tick dunkler. Die Augenfarbe konnte ich nicht richtig erkennen, aber ich vermutete, sie waren grün, wie bei mir. Auch sie war schlank. Ihre Gesichtszüge waren ein wenig anders. Die Nase, das Kinn und auch ihr Outfit – sie trug ein Kleid. Ich konnte Kleider nicht ausstehen, zumindest nicht solche. Aber ansonsten hätten wir Schwestern sein können. Zwillingsschwestern.
    Verblüfft blickte ich zu Frau Fuhrmann, dann wieder auf das Foto. Jetzt war mir klar, warum mich alle mit Veronika verwechselten.
    »Veronika Henkstel ist letzten Juni bei einem Klassenausflug ums Leben gekommen«, sagte Frau Fuhrmann jetzt leise. »Kurz nach ihrem vierzehnten Geburtstag. Sie ging in dieselbe Klasse wie du. Wahrscheinlich war es ein Fehler, dich dort unterzubringen, aber die anderen beiden Neunten waren leider voll.«
    Ein kurzer Blick zu mir, dann sprach sie weiter: »Es war ein tragischer Unfall und natürlich waren deine Klassenkameraden sehr betroffen. Wir haben sogar eine Schulpsychologin eingeschaltet. Das neue Schuljahr sollte ein neuer Anfang werden. Nicht, dass wir Veronika vergessen wollten, versteh mich bitte nicht falsch, aber die anderen aus deiner Klasse haben ihren Tod miterlebt und einige sind dadurch wirklich traumatisiert. Nimm es bitte nicht persönlich, Samantha, aber ich hatte selbst ernsthafte Zweifel, ob wir dich tatsächlich bei uns aufnehmen sollten.« Sie stoppte kurz, sprach dann aber schnell weiter. »Du wirst nun sicher verstehen, Samantha, dass du die anderen nicht nur an Veronika erinnerst, sondern auch an die schrecklichen Umstände ihres Todes. Und für einige Schülerinnen und Schüler ist der Schmerz über den Verlust einfach zu groß.«
    Sie klappte den Jahresbericht zu und steckte ihn zurück in das Regal.
    »Kann ich dir sonst noch helfen?«
    Ich schüttelte den Kopf. »Nein, vielen Dank! Sie haben mir schon geholfen«, sagte ich leise und verließ das Büro. Wieder ging ich wie durch einen Tunnel. Jetzt verstand ich. Natürlich! Mir würde es wahrscheinlich genausogehen, wäre Sarah gestorben (allein der Gedanke daran machte mich schon fertig) und ein anderes Mädchen, noch dazu eine völlig Fremde aus einem anderen Land, würde sozusagen ihren Platz einnehmen wollen. Oder mein Vater hätte plötzlich eine andere Frau, die meiner Mutter zum Verwechseln ähnlich sah. Tag für Tag durch einen Fremden an einen geliebten Menschen erinnert zu werden, den man verloren hatte – schrecklich! Auch wenn ich nichts dafürkonnte, die anderen sahen mich nur als Belastung. Caro und Geli zum Beispiel. Sie standen auf dem Klassenfoto direkt neben Veronika. Wahrscheinlich waren sie gut befreundet gewesen. Vielleicht sogar beste Freundinnen, so wie Sarah und ich. Natürlich wollten sie mich nicht in ihrer Nähe haben. Jede Sekunde erinnerte ich sie an Veronika. Jetzt verstand ich auch Caros heftige Reaktion vorhin im Klassenzimmer wenigstens ein bisschen. Und die Drohbriefe? Wer auch immer dahintersteckte, er oder sie hatte das dringende Verlangen, dass ich wieder verschwand. Aber was sollte ich denn jetzt machen? Auf eine andere Schule wechseln? Das war bestimmt das Sinnvollste. Heute Abend würde ich mit meinem Dad darüber sprechen, nahm ich mir vor.
    Zu Hause checkte ich meine E-Mails. Die Nachricht, dass ich an Thanksgiving wieder in Berkeley sein würde, hatte sich wie ein Lauffeuer herumgesprochen. Sogar Josy hatte mir gemailt, und eine lange Nachricht von Sarah

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