Schwanengrab
Christoph verbracht. Aber versprochen war versprochen.
»Ja klar, kein Problem«, meinte er, sah dabei aber ein wenig enttäuscht aus. »Hier gibt es etwas außerhalb noch viel mehr Sehenswürdigkeiten. Alte römische Bauten und die Kaisertherme. Die schließt leider schon um sechs, daher konnte ich sie dir heute nicht mehr zeigen. Aber die müsst ihr euch unbedingt ansehen.«
»Ja, danke für den Tipp. Das machen wir.« Eigentlich wollte ich mich noch gar nicht von ihm verabschieden.
»Dann sehen wir uns also übermorgen in der Schule. Und zur Nachhilfe, wenn’s für dich passt«, schlug er vor.
»Am Nachmittag arbeite ich weiter am Bühnenbild. Aber anschließend kann ich.« Ich glaube, ich hatte mich noch nie so sehr auf einen Montag gefreut.
»Sechs Uhr?«
»Super!« Ich hob die Hand. »Also dann, bye.«
»Sam, warte!« Noch bevor ich an der Tür war, hatte Christoph mich eingeholt und fasste meine Hand. Er beugte sich zu mir. Was hatte er vor? Mein Herz begann wie wild zu hämmern.
»Hast du einen Stift?«, fragte er.
Einen Stift? Ich hatte nur einen Kajal in meiner Tasche, suchte ihn raus und reichte ihn Christoph.
»Hier, meine Handynummer.« Er kritzelte eine lange Zahl auf meinen Handrücken. »Wenn was ist, ruf mich an. In Ordnung?«
»Okay.«
»Nicht die Hände waschen!«
Christoph ließ den Motor an. Während er davonfuhr, schloss ich lächelnd die Tür auf, hielt aber mitten in der Bewegung inne. Dieses Knattern ... Irritiert schüttelte ich den Kopf.
»Sam?« Die Stimme meines Vaters kam aus dem Arbeitszimmer.
»Ja!«
»Wie war dein Date?«
»Gut!« Sogar mehr als gut, dachte ich.
»Muss hier noch was erledigen. Geht unser Ausflug morgen klar?«
»Ja sicher!« Ich ging in mein Zimmer und kramte mein Handy aus der Tasche, aber es ließ sich nicht anschalten. Erst als ich es am Ladekabel anstöpselte, konnte ich Christophs Nummer in meinem Telefonverzeichnis abspeichern. Das wäre erledigt!
Anschließend fuhr ich meinen PC hoch. Natürlich hatte sich Sarah nicht gemeldet. Sie war ja heute auf Josys Party. Ich loggte mich in den Schulchat ein. Neben Mikes Name leuchtete ein grüner Punkt. Kaum öffnete ich meinen Account, blinkte auch schon eine Nachricht für mich auf dem Display.
Mike: Na endlich, Sunny! Wo warst du denn? Du warst zwei Tage nicht on.
Sunny: Keine Zeit!
Mike: Ich habe zwei Abende vergeblich auf dich gewartet.
Das klang vorwurfsvoll. Na und? Konnte ich etwas dafür, dass er mit seiner Freizeit nichts anderes anzufangen wusste, als vor dem Computer zu sitzen?
Sunny: Wir hatten schließlich nichts ausgemacht, oder?
Mike: Hab dich vermisst.
Ups! Also doch kein Vorwurf.
Mike: Warum warst du denn nicht da?
Sunny: Ich hatte eine Verabredung.
Mike: Mit wem denn?
Der war ja ganz schön neugierig. Eigentlich ging es ihn ja nichts an, aber ich war gespannt auf seine Reaktion.
Sunny: Mit Christoph und Neela.
Mike: Du triffst dich mit Christoph, diesem Streber, und mit Neela, der Hexe?
Das war zu viel! Was bildete er sich eigentlich ein, so über die beiden zu sprechen?
Sunny: Was dagegen?
Mike: Du kennst sie nicht, sonst würdest du das nicht tun.
Sunny: Ach ja?
Mike: Ja, glaub mir! Weißt du eigentlich, was Neela für ein Problem hat?
Sicherlich spielte er auf das Gerücht mit den Tabletten an. Ich hatte das starke Bedürfnis, Neela in Schutz zu nehmen.
Sunny: Sie hat kein Problem! Das Ganze ist nur ein unglückliches Missverständnis.
Mike: Ach, ein Missverständnis? Wer hat dir denn den Mist erzählt?
Sunny: Neela.
Mike: So, so! Und was ist mit den Tablettenpackungen, die man in ihrer Schultasche gefunden hat ... hat sie damit auch nichts zu tun? Oder hat sie vergessen, das zu erwähnen?
Sunny: In ihrer Schultasche?
Neela hatte nur von einem Gerücht gesprochen.
Mike: Ach. Sie hat dir also nichts davon erzählt. Warum auch. Dann wüsstest du ja, dass sie dich angelogen hat. Neela hatte in ihrer Tasche zehn Packungen ziemlich starker Medikamente versteckt. Antidepressiva und Schlaftabletten. Einigen auf unserer Schule ging es nach Veronikas Tod nicht sonderlich gut. Neela hat versucht, ihnen Tabletten zu verkaufen.
Sunny: So ein Blödsinn! Das hat sie nicht!
Ich schrieb die Sätze wie im Reflex. Mikes Worte trafen mich trotzdem.
Mike: Ach nein? Dann frag sie doch, warum sie die Tabletten in ihrer Tasche hatte. Oder glaubst du, sie hat die alle selbst genommen? Die hatte sie aus dem Medikamentenschrank ihres Vaters geklaut. Ihr Vater hat selbst
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