Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schwanengrab

Schwanengrab

Titel: Schwanengrab Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Schwarz
Vom Netzwerk:
treffen – ausgerechnet hier?«
    Wieder blieb sie mir eine Antwort schuldig. Es ging sie nichts an. Trotzdem sagte ich: »Er wollte mir etwas zeigen.«
    »Ach ja? Ich glaube, ich weiß, was er dir zeigen wollte.« Sie lächelte schief.
    »So? Und was?«
    »Du bist wegen Veronika hierhergekommen, stimmt‘s?«, fragte sie.
    Ich wusste nicht, wie ich darauf reagieren sollte. »Und du? Warum bist du da?«, fragte ich statt einer Antwort.
    »Mike.«
    Ich musste sie ziemlich dumm angesehen haben, denn sie lachte. Kurz, aber laut.
    »Du bist auch mit ihm verabredet?«, fragte ich verwirrt.
    Caro schüttelte den Kopf. »Ich sagte doch, er wird nicht kommen!«
    Sie ging zur Fahrplantafel, fuhr mit dem Finger über die Zeilen, bis sie die richtige Uhrzeit fand. »Tja, das ist jetzt ärgerlich. Der nächste Bus fährt erst in einer Stunde.«
    »So spät?«, fragte ich ungläubig. Eine Stunde mit Caro bei Pisswetter in einem Bushäuschen in der Pampa ...
    »Tja, und jetzt?« Caro blickte mich erwartungsvoll an.
    Ich zuckte mit den Schultern und schlang meine Arme um mich. Die Kälte kroch durch den Stoff meiner Jacke.
    »Da hinten gibt es ein Restaurant. So wie ich Mike kenne, sitzt er dort und trinkt Kakao. Es ist nicht weit. Nur ein paar Minuten. Wenn du willst, bringe ich dich hin, bevor wir blöd rumstehen. Ich kenne mich gut aus. Und falls er nicht da sein sollte, können wir umdrehen und sind schnell wieder zurück«, schlug sie vor.
    »Und wenn Mike in der Zwischenzeit doch hier auftaucht?«
    »Die paar Minuten wird er schon warten.«
    Also gut. Ich willigte ein. Caro schritt voraus. Sie wählte einen der zahlreichen Wanderwege, die vom Parkplatz aus in den Wald führten. Besucherzentrum/Bistro stand auf dem Wegweiser.
    Einige Zeit liefen wir schweigend nebeneinanderher. Ich wusste beim besten Willen nicht, über was ich mich mit ihr unterhalten konnte. Sie war es, die das Gespräch begann. »Weißt du eigentlich, wo wir hier sind?«, fragte sie.
    »Ja klar! In der Teufelsschlucht.«
    Caro nickte. »Aber weißt du auch, was hier passiert ist?«
    Ja, ich wusste es. »Veronika«, sagte ich leise. »Hier ist sie verunglückt.«
    Wieder nickte Caro. Sie zog sich ihre Jacke enger um die Schultern und schlang ihre Arme um sich. Ihr war wohl genauso kalt wie mir.
    Der Boden war nass, die welken Blätter unter unseren Füßen glitschig wie Schmierseife, und man musste aufpassen, wohin man auf dem unwegsamen Gelände trat.
    Irgendwo knackte ein Ast. Ich blieb stehen. Erschrocken blickte ich mich um.
    »Mike?«, fragte ich leise. War er hier?
    Caro folgte meinem Blick.
    »MIKE?«, rief ich in den Wald. Keine Antwort.
    »Wir sind gleich da«, sagte sie mürrisch.
    »Warum bist du dir so sicher, dass Mike im Restaurant sitzt?«
    »Ich kenne ihn«, meinte sie nur. »Ich kenne ihn besser, als du denkst.«
    »Wir sollten zurückgehen«, schlug ich nervös vor. Der Wald, der Weg, die hereinbrechende Dämmerung – dies alles war mir unheimlich. Auf einmal wurde mir wieder deutlich klar, wie wenig ich selbst von Mike wusste. Warum hatte ich nicht wenigstens meinem Vater eine Notiz an den Kühlschrank geheftet, wo ich war. Aber was hätte das gebracht? Schließlich würde mein Dad erst morgen von seiner Dienstreise zurückkommen.
    Etwas abseits vom Weg blieb Caro plötzlich stehen. »Hier!«, sagte sie. »Hier ist es passiert.«
    Ich schauderte. Nicht nur, weil mir kalt war. Wir standen mitten im Wald. Ein Stück weiter hinten konnte man eine Kante erahnen. Dort ging es offenbar senkrecht hinunter in eine tiefe Schlucht. War das die Stelle, an der Veronika abgestürzt war?
    »Das ist die Stelle!«, sagte Caro, als hätte sie meine Gedanken gelesen. »Dort hinten.« Ihre Stimme war nur noch ein Flüstern.
    Plötzlich tat sie mir leid. Sie hatte damals alles miterlebt. Ihre Freundin – tot. Wie schrecklich musste das alles für Caro gewesen sein. War sie deshalb so, wie sie heute war? Unnahbar, fast schon feindselig. Vielleicht wollte sie nie wieder jemanden verlieren und ließ deshalb auch niemanden mehr an sich heran.
    Caros Mundwinkel zitterten leicht. Eine Träne liefüber ihre Wange. Ich konnte mich gut in sie hineinversetzen. Schließlich wusste ich, wie es war, wenn man einen lieben Menschen verlor. Plötzlich und ohne Vorwarnung. Ich war kurz davor, sie in den Arm zu nehmen. Aber ich traute mich nicht.
    »Ich bin oft hier!«, sagte sie leise.
    »Du vermisst sie?«, fragte ich mitfühlend.
    Caro zuckte mit den Schultern. »Du hast

Weitere Kostenlose Bücher