Schwanenlied: Der fünfte Fall für Katrin Sandmann (Krimi im Gmeiner-Verlag) (German Edition)
beleidigt verzogen, aber er war sich sicher, dass die Angelegenheit für sie damit nicht erledigt war.
Er würde sie im Auge behalten. Aber zuerst musste er sich um die Amerikanerin kümmern. Zu blöd, dass sie den Unfall überlebt hatte. Das kam davon, wenn man Amateure die Arbeit erledigen ließ. Wenn er Glück hatte, saß der Schock tief genug, und sie würde nach Hause abhauen, sobald die Ärzte sie zusammengeflickt hatten. Falls nicht, musste er sich selbst der Sache annehmen, und diesmal gründlich.
10
Donnerstag, 17. Mai
Petra Klamm war eine imposante Erscheinung. Langes rotes Haar, das nur mühsam von einem Haargummi gezähmt wurde, eine üppige, sehr frauliche Figur und eine dunkle, volltönende Stimme. »Wie schön, dass wir uns endlich kennenlernen, Cousin«, sagte sie zu Manfred und drückte seine Hand. »Und du musst Katrin sein.« Sie reichte auch ihr die Hand. Katrin fand die Frau, die wenig älter als sie selbst sein musste, auf Anhieb sympathisch.
Sie nahmen an einem der Tische Platz. Das Café befand sich in einem Einkaufszentrum, vermittelte aber dennoch das Ambiente eine Straßencafés, da es an eine Häuserfassade grenzte, hinter der sich ein Museum befand.
Katrin und Petra bestellten Milchkaffee, Manfred ein Bier.
»Schon merkwürdig, wer sich mit einem Mal so alles für mich und meine Familiengeschichte interessiert«, sagte Petra.
»Ach, wer denn noch?«, wollte Manfred wissen.
»Eine Amerikanerin. Rosemary Alcott, eine Anwältin aus Boston. Sie hat mich Anfang der Woche kontaktiert. Eigentlich wollten wir uns vor zwei Tagen treffen, auch hier im Café. Doch sie ist nicht aufgetaucht.« Sie zuckte mit den Schultern. »Merkwürdige Sache.«
»Sie hatte einen Unfall«, erklärte Katrin.
»Das ist ja furchtbar!«, rief Petra, dann runzelte sie die Stirn. »Ihr kennt die Frau? Geht es ihr gut?«
Katrin seufzte. »Sie liegt im Koma.«
»Wie schrecklich.« Petra schlug die Hand vor den Mund. Dann beugte sie sich vor. »Woher kennt ihr sie? Hat sie euch auch kontaktiert?«
»Sie wohnte in Blankenheim im gleichen Hotel wie wir«, erklärte Manfred. »Sie hat uns nach Angelika gefragt, der ersten Frau deines Vaters.«
Petra nickte nachdenklich. »Ja, darüber wollte sie auch mit mir sprechen. Es ging um Ahnenforschung, sagte sie. Eine Familie aus den USA sei auf den Namen gestoßen. Ich fürchte allerdings, dass es sich um eine Verwechslung handeln muss. Weder aus der Familie Klamm noch von den Grauweilers ist je einer in die USA ausgewandert. Oder liege ich da falsch, Manfred?«
»Von den Klamms weiß ich nichts«, antwortete Manfred. »Aber von den Grauweilers ist bestimmt niemand ausgewandert. Außer Onkel Marius und seiner Schwester Angelika hat niemand aus der Familie den Krieg überlebt. Ich glaube, diese Frau ist hinter etwas ganz anderem her.«
»Ach wirklich?« Petra schob eine Strähne ihrer roten Haare, die sich aus dem Gummi gelöst hatte, hinter das Ohr. »Und hinter was?«
Bevor Manfred antworten konnte, kamen die Getränke. Katrin rührte Zucker in ihren Kaffee und nutzte die Gelegenheit, sich wieder in das Gespräch einzuschalten. Sie wandte sich an Petra. »Was weißt du über Angelika Grauweiler?«
Petra zuckte mit den Schultern. »Nicht viel. Nur das, was meine Mutter mir erzählt hat. Mein Vater und sie haben sich kurz nach dem Krieg kennengelernt, glaube ich. In Frankfurt oder Wiesbaden, ich weiß es nicht mehr genau. Sie arbeitete als Kindermädchen bei einer reichen Industriellenfamilie, mein Vater hatte beruflich mit der Familie zu tun. Er stammte hier aus Münster. Sie haben geheiratet, und sie ist mit ihm hergezogen. Sie bekamen zwei Kinder, Thorsten und Martina. Die müssen so um 1950 herum geboren sein. Ich müsste es eigentlich genau wissen, die beiden waren schließlich meine Halbgeschwister, doch als sie starben, war ich erst acht, und der Kontakt war nie besonders eng. Sie waren ja schon erwachsen, als ich geboren wurde, und lebten nicht mehr bei uns zu Hause.« Sie hob die Schultern. »Meine Erinnerungen an sie sind ganz verschwommen. Na ja, Angelika starb an Krebs, Ernst, also mein Vater, heiratete neu, eine Frau, die mehr als zwanzig Jahre jünger war, meine Mutter. Sie lebt inzwischen auch nicht mehr.« Petra senkte den Blick und rührte in ihrer Kaffeetasse, obwohl sie gar keinen Zucker hineingegeben hatte. Für einen Augenblick wirkte die starke Frau schwach, dann fing sie sich wieder. »Mehr weiß ich nicht.«
»Wann ist Angelika gestorben?«,
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