Schwanenschmaus im Porterhouse
mit zwei Kartons wiederkam, die er auf den Ladentisch knallte. Zipser glotzte die Kartons an und setzte gerade zu der Erklärung an, daß er ja nur sein Geld zurückhaben wolle, als eine Frau eintrat. Da wurde ihm schlagartig übel. Er schnappte sich den Kugelschreiber, unterschrieb den Zettel und stolperte aus dem Laden, die beiden Kartons unterm Arm.
Als er wieder am Einhorn angelangt war, hatte die Kneipe zu. Zipser klopfte ein paarmal vergeblich an die Tür, dann gab er es auf und ging nach Porterhouse zurück.
In Schlangenlinien passierte er das Pförtnerhäuschen und steuerte über den Hof auf seinen Aufgang zu. Vor ihm trat eine Reihe schwarzgekleideter Gestalten aus der Tür des Ratssitzungszimmers und bewegte sich gemessenen Schrittes in seine Richtung. An der Spitze dieser Prozession watschelte der Dekan. Hicksend versuchte Zipser, den Blick auf sie zu richten. Es war sehr schwierig. Fast genauso schwierig wie der Versuch zu verhindern, daß die Welt sich drehte. Während die Marschkolonne immer näher kam, hickste Zipser noch einmal und übergab sich dann in den Schnee.
»Entschuldigung«, sagte er. »Hätte ich nicht machen sollen. Hab’ zu viel getrunken.«
Die Kolonne hielt an, und Zipser starrte in das Gesicht des Dekans. Es hatte die beunruhigende Tendenz, scharf und dann wieder unscharf zu werden.
»Wissen ... wissen ... Sie eigentlich, wie rot Ihr Gesicht ist?« fragte Zipser und pendelte mit dem Kopf unruhig in Richtung Dekan. »Dürften eigentlich kein rotes Gesicht haben, stimmt’s?«
»Aus dem Weg«, fuhr der Dekan ihn an.
»Schicher«, sagte Zipser und setzte sich in den Schnee. Der Dekan ragte bedrohlich vor ihm auf.
»Sie, Sir, sind betrunken. Ekelhaft betrunken«, sagte er. »Genau«, sagte Zipser. »Hundert Punkte für Ihren Schaf ... Scharf ...arfblick. Gleisch beim ersten Mal den Nagel auf’n Kopp gehauen.«
»Wie heißen Sie?«
»Schipscher, Schir, Schipscher.«
»Sie haben eine Woche lang Ausgangssperre, Zipser.«
»Joho«, bestätigte Zipser fröhlich. »Eine Woche Ausgangsschperre. Schicher, Schir.« Immer noch die Kartons umklammernd, rappelte er sich auf. Die Kolonne der Universitätshonoratioren überquerte den Hof. Zipser wankte in sein Zimmer und kippte auf dem Fußboden um. Aus seinem Arbeitszimmerfenster beobachtete Sir Godber die Abordnung der Fellows. »Canossa«, dachte er, während die Prozession durch den Schnee zur Haustür trottete und klingelte. Einen Moment lang spielte er mit dem Gedanken, sie warten zu lassen, doch die bessere Einsicht siegte. Papst Gregors Triumph hatte schließlich auch nicht lange Bestand gehabt. Er ging in den Flur und ließ sie ein.
»Na, meine Herren«, sagte er, als sie in sein Arbeitszimmer marschiert waren, »was kann ich denn nun für sie tun?« Der Dekan trat schlurfend vor. »Wir haben unsere Entscheidung noch einmal überdacht, Herr Rektor.« Die Mitglieder des Collegerates nickten gehorsam. Sir Godber warf einen Blick auf ihre Gesichter und war zufrieden. »Sie möchten, daß ich Rektor bleibe?«
»Jawohl, Herr Rektor«, sagte der Dekan. »Und ist das der ausdrückliche Wunsch des gesamten Rates?«
»So ist es.«
»Sie akzeptieren uneingeschränkt die von mir vorgeschlagenen Änderungen im College?« fragte der Rektor. Der Dekan rang sich ein Lächeln ab. »Natürlich haben wir Bedenken«, gab er zu. »Von uns zu erwarten, daß wir unsere ... ähem ... Prinzipien aufgeben, ohne an den im stillen vorhandenen Vorbehalten festzuhalten, wäre wohl etwas zu viel verlangt. Doch im Interesse des ganzen Colleges räumen wir ein, daß ein Kompromiß eventuell erforderlich sein mag.«
»Meine Bedingungen sind unumstößlich«, sagte der Rektor. »Sie müssen voll und ganz akzeptiert werden. Ich bin nicht bereit, sie abzumildern, das sollte ich wohl klarstellen. «
»Durchaus, Herr Rektor. Durchaus.« Der Dekan lächelte schwach.
»In dem Fall«, sagte Sir Godber, »werde ich mir die Sache bis zur nächsten Sitzung des Collegerates überlegen. Das gibt uns allen Gelegenheit, in Ruhe über die Angelegenheit nachzudenken. Sagen wir nächsten Mittwoch um die gleiche Zeit?«
»Wie Sie wünschen, Herr Rektor«, sagte der Dekan. »Ganz wie Sie wünschen.«
Sie marschierten wieder zur Tür, und nachdem er sie hinausbegleitet hatte, stand Sir Godber am Fenster und betrachtete mit einem ganz neuen Gefühl von Befriedigung, wie die dunkle Prozession in den Winterabend verschwand. »Die Eisenfaust im eisernen Handschuh«, murmelte er
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