Schwanenschmaus im Porterhouse
der Fluß anstieg und der schneidende Wind die Kluft aus seiner Jugendzeit, jene Hierarchie von Arm und Reich, Gut und Schlecht, Komfort und Elend wieder erstehen ließ, die er unbedingt erhalten wollte, während Sir Godber sie mit seinem Streben nach seelenloser Uniformität vernichten würde. »Die alte Ordnung verändert sich«, murmelte er vor sich hin, »aber verdammt langsam, wenn es nach mir geht.« Skullion ging zurück ins Pförtnerhäuschen. »Ich gehe zu Abend essen«, sagte er dem Unterpförtner und trottete über den Hof und dann die steinerne Treppe hinunter zur Küche, wo der Koch in seinem Anrichteraum für zwei gedeckt hatte. Es war heiß, und bevor er Platz nahm, zog Skullion seinen Mantel aus.
»Schneit wieder, wie ich höre«, sagte der Koch und setzte sich.
Skullion wartete, bis ein mit offenem Mund gaffender junger Kellner serviert hatte, ehe er sprach. »Dekan trifft sich mit dem General«, sagte er schließlich.
»Ach ja?« sagte der Koch und nahm sich von den Resten des pochierten Lachses.
»Heute nachmittag war Ratssitzung«, fuhr Skullion fort. »Ich hörte davon.«
Skullion schüttelte den Kopf.
»Das wird Ihnen nicht gefallen«, sagte er. »Was der Rektor plant, wird Ihnen gar nicht passen, so wahr ich Skullion heiße.«
»Das habe ich auch gar nicht angenommen, Mr. Skullion.«
»Schlimmer als ich erwartet hatte, Koch, viel schlimmer.« Bevor er fortfuhr, nahm Skullion einen großen Schluck 1964er Ockfener Herrenberg. »Selbstbedienung im Speisesaal«, verkündete er traurig.
Der Koch legte Messer und Gabel hin. »Niemals«, knurrte er. »Es stimmt aber. Selbstbedienung im Speisesaal.«
»Nur über meine Leiche«, sagte der Koch. »Über meine verfluchte Leiche.«
»Frauen sollen auch ins College.«
»Was? Im College wohnen?«
»So ist es. Im College wohnen.«
»Das ist widernatürlich, Mr. Skullion. Widernatürlich.«
»Das brauchen Sie mir nicht zu erzählen, Koch. Mir nicht. Widernatürlich und unmoralisch. Es ist nicht richtig, Koch, es ist schlichtweg pervers.«
»Und Selbstbedienung im Speisesaal«, murmelte der Koch. »Was soll aus dieser Welt bloß werden? Wissen Sie, Mr. Skullion, wenn ich an die vielen Jahre denke, die ich schon Koch in diesem College bin, und an die vielen Abendessen, die ich schon für die gekocht habe, dann frage ich mich manchmal: wozu das alles? Sie haben kein Recht, so etwas zu tun.«
»Sie tun es ja gar nicht«, stellte Skullion klar. »Er sagt, es muß sich ändern.«
»Warum hindern sie ihn nicht daran? Schließlich sind sie der Rat. Ohne ihre Zustimmung darf er es nicht tun.«
»Sie können ihn nicht daran hindern. Hat mit dem Rücktritt gedroht, wenn sie nicht zustimmen.«
»Warum lassen sie ihn nicht ziehen? Ein Segen, wenn wir den los wären.«
»Hat gedroht, den Zeitungen zu schreiben, daß wir Titel verkauft haben«
Der Koch sah ihn besorgt an. »Sie wollen doch nicht etwa sagen, daß er über Ihre ...«
»Ich habe keine Ahnung, was er weiß und was nicht«, sagte Skullion. »Ich glaube nicht, daß er darüber Bescheid weiß. Er spricht wohl von denen, die reingelassen werden, weil sie Geld haben. Das meint er, glaube ich.«
»Aber wir haben ein Recht darauf, reinzulassen, wen wir wollen«, protestierte der Koch. »Das College gehört uns und sonst keinem.«
»Das sieht er aber anders«, sagte Skullion. »Er hat ihnen mit einem Riesenskandal gedroht, falls sie nicht spuren, und sie haben klein beigegeben.«
«Was hat der Dekan gesagt? Irgendwas muß er doch gesagt haben.«
»Sie müßten Zeit gewinnen, indem sie sich zum Schein einverstanden erklären. Er trifft sich gerade mit dem General. Den beiden wird schon was einfallen.« Skullion trank seinen Wein aus und lächelte vor sich hin. »Der hat ja keine Ahnung, worauf er sich einläßt«, verkündete er etwas fröhlicher. »Denkt nämlich, er hätte es mit diesen Würstchen im Parlament zu tun. Maulhelden, was anderes sind diese Abgeordneten nicht. Die glauben, wenn sie irgendwas herbeireden, ist es am nächsten Tag schon Wirklichkeit. Die haben von nichts ’ne Ahnung, und sie haben nichts zu verlieren, doch der Dekan ist aus einem ganz anderen Holz geschnitzt. Er und der General, die beiden werden ihn kleinkriegen, Sie werden schon sehen.« Er grinste wissend und blinzelte mit seinem nicht blauen Auge. Der Koch nagte trübsinnig an einer Weintraube.
»Wüßte nicht, wie«, sagte er.
»Nach dunklen Stellen suchen«, sagte Skullion. »Sie wollen in seiner
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