Schwanenschmaus im Porterhouse
einen Schluck zu trinken, bevor man ins Studio geht.«
»Aha«, sagte Skullion und sah zu, wie der junge Mann die Kiste aufschloß. In ihrem Inneren glitzerte eine beachtliche Flaschenreihe.
»Was darf’s denn sein? Whisky, Gin?«
»Gar nichts«, sagte Skullion.
»Also wirklich«, flötete der junge Mann. »Das ist ja höchst ungewöhnlich. Die meisten brauchen einen Drink, vor allem, wenn sie live auf Sendung gehen.«
»Genehmigen Sie sich ruhig einen«, sagte Skullion. »Stört es Sie, wenn ich rauche?« Er nahm seine Pfeife heraus und stopfte sie langsam. Der junge Mann sah die tragbare Bar unschlüssig an.
»Möchten Sie ganz sicher keinen Drink?« fragte er. »Es nützt wirklich was.«
Skullion schüttelte den Kopf. »Werde mir nachher einen hinter die Binde kippen«, sagte er und zündete die Pfeife an. Der junge Mann verschloß die Bar und stellte sie in den Schrank zurück.
»Machen Sie das zum ersten Mal?« Er war offensichtlich bestrebt, Skullion die Befangenheit zu nehmen. Skullion nickte und schwieg.
Als Cornelius Carrington ihn holen kam, schwieg er immer noch. Der ganze Raum war voll von beißendem Rauch aus Skullions Pfeife, und der junge Mann saß erheblich verunsichert im äußersten Winkel des Plastiksofas.
»Er will nichts trinken«, flüsterte er. »Reden will er auch nicht. Er sitzt nur da und pafft seine dreckige Pfeife.« Carrington betrachtete Skullion besorgt. Die Vorstellung, daß Skullion mitten im Interview den Mund hielt, schien nun gar nicht mehr so abseitig zu sein.
»Geht’s Ihnen gut?« erkundigte er sich. Skullion sah Carrington griesgrämig an. »Hab’ mich noch nie besser gefühlt«, sagte er. »Kann aber nicht behaupten, daß mir die Gesellschaft paßt.« Er musterte den jungen Mann finster. Carrington geleitete ihn auf den Flur. »Schwuchtel«, sagte Skullion im Fahrstuhl nach oben. Carrington fuhr zusammen. Das Benehmen des Oberpförtners hatte etwas Beunruhigendes. Ihm fehlte die Beflissenheit, die anscheinend von den meisten Menschen Besitz ergriff, wenn sie interviewt werden sollten, eine nervöse Herzlichkeit, die sie gefügig machte und Carrington ein Gefühl von Macht gab, das er außerhalb der künstlichen Umgebung eines Studios nicht befriedigen konnte. Wenn einer plötzlich den Mund halten würde, dann wahrscheinlich eher Cornelius Carrington als Skullion, gestand er sich selbst ein. Er führte den Pförtner in das taghell erleuchtete Studio und bugsierte ihn in einen Sessel, bevor er noch einmal hinauseilte und sich rasch zwei Schluck Whisky genehmigte. Als er wiederkam, befahl Skullion gerade einer jungen Maskenbildnerin, sie solle gefälligst ihre Pfoten wegnehmen.
Carrington nahm Platz und lächelte Skullion an. »Sie dürfen auf keinen Fall gegen das Mikro treten«, sagte er. Skullion sagte, er werde sich Mühe geben. Man schob Kameras hin und her. Junge Männer kamen und gingen. Hinter einem großen getönten Fenster im Nebenzimmer bezogen Techniker am Steuerpult Stellung. »Carrington über Cambridge« ging über den Sender. Es war 21 Uhr 25, Hauptsendezeit.
In Porterhouse war das Abendessen beendet. Es war zur Abwechslung einmal eine entspannte Angelegenheit gewesen, ohne den sonst bei Zusammenkünften der Fellows üblichen verbalen Schlagabtausch. Statt dessen herrschte eine seltsame Freundlichkeit. Selbst der Rektor dinierte im Speisesaal, und dem zu seiner Rechten sitzenden Dekan gelang es, nicht ausfallend zu werden. Es war, als sei ein Waffenstillstand vereinbart worden. »Ich habe mir große Mühe gegeben, die einflußreicheren Mitglieder der Porterhouse-Gesellschaft über die Sendung zu informieren«, teilte er dem Rektor mit. »Ausgezeichnet«, sagte Sir Godber. »Wir sind Ihnen ganz gewiß sehr zu Dank verpflichtet, Herr Dekan.« Der Dekan verkniff sich ein Kichern. »Man tut, was man kann«, sagte er. »Wenn es dem Wohle des Colleges dient. Infolge der Anstrengungen des jungen Carrington bekommen wir womöglich die eine oder andere beträchtliche Spende für den Restaurierungsfonds.«
»Ich halte ihn für einen sehr verständnisvollen Mann«, sagte Sir Godber. »Ungewöhnlich scharfsinnig für ...« Fast hätte er »für einen alten Porterhouse-Mann« gesagt, besann sich jedoch eines Besseren.
»Flirty Bertie haben sie ihn genannt, als er Student war«, rief der Kaplan.
»Nun ja, seit dieser Zeit hat er sich offenbar sehr verändert«, sagte Sir Godber.
»Sie haben ihn in den Brunnen getaucht«, fuhr der Kaplan fort. Es blieb die
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