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Schwanenschmaus im Porterhouse

Schwanenschmaus im Porterhouse

Titel: Schwanenschmaus im Porterhouse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Sharpe
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einzige unheilvolle Bemerkung während des Essens.
    Anschließend saßen sie bei Kaffee und Zigarren im Gemeinschaftsraum beisammen und warfen gelegentlich einen Blick auf das große Farbfernsehgerät, das man zur Feier des Tages aufgestellt hatte. Um neun sahen sie sich die Nachrichten an, und Arthur, der Kellner, bekam den Auftrag, noch etwas Cognac zu holen. Sir Cathcart traf auf Einladung des Dekans ein, und als die Sendung begann, waren alle Beteiligten im Gemeinschaftsraum versammelt. Alle außer Skullion, der im Studio saß; die Andeutung eines Lächelns ließ seine herben Gesichtszüge unmerklich weicher werden. Cornelius Carringtons Stimme drang durch die letzten Takte des Eton Boating Song, der den Anfangsaufnahmen von den »Backs«, wie der grüne Uferstreifen am Fluß Cam hieß, sowie von der Kapelle des King’s College unterlegt war. »Für viele ist Cambridge eines der bedeutendsten Bildungszentren, eine Wiege von Wissenschaft und Kultur. Hier genossen die großen englischen Dichter ihre Bildung. Milton wirkte im Christ’s College.« Auf dem Schirm erschien Miltons Zimmer. »Wordsworth und Tennyson, Byron und Coleridge waren allesamt Cambridge-Studenten.« Die Kamera sprang rasch von einem Fenster im St. John’s zu Trinity und Jesus College, ehe sie auf der sitzenden Gestalt Tennysons in der Kapelle von Trinity zur Ruhe kam. »Hier entdeckte Newton«, Newtons Statue leuchtete auf dem Bildschirm auf, »als erster die Gesetze der Schwerkraft, hier spaltete Rutherford, der Vater der Atombombe, als erster das Atom.« Eine Ecke des Cavendish- Laboratoriums tauchte auf, dezent so fotografiert, daß jeder Anschein von Modernität vermieden wurde. »Ich muß schon sagen, Freund Carrington tendiert dazu, die Jahrhunderte im Eiltempo zu bewältigen«, sagte der Dekan. »Was hat der Eton Boating Song mit dem King’s College zu tun?« fragte Sir Cathcart.
    Carrington fuhr fort, Cambridge sei das Venedig der Fens, der Niederungen East Anglias. Aufnahmen der Seufzerbrücke. Stakkähne. Grantchester. Studenten strömten aus den Hörsälen in die Mill Street. Carringtons sanfte Stimme verkündete den Ruhm Cambridges.
    »Doch heute abend werden wir einen Blick auf ein College werfen, das selbst in der unberührten Welt von Cambridge einzigartig dasteht.«
    Der Rektor beugte sich vor und starrte auf das Collegewappen über dem Haupttor. Neben ihm rutschten die Fellows auf ihren Stühlen hin und her. Das Eindringen in ihre Privatsphäre hatte begonnen; und es sollte weitergehen. Carrington bat sein Publikum, sich sein ehemaliges College, diesen Anachronismus, genauer anzusehen. Der salbungsvolle Tonfall war aus seiner Stimme gewichen. Eine neuer, irritierend schriller Ton hatte sich eingeschlichen und bereitete die Zuschauer darauf vor, daß die nun folgenden Bilder sie durchaus schockieren und überraschen könnten. Damit wurde angedeutet, daß Porterhouse mehr sei als nur ein College und die dortige Krise irgendwie die Entscheidung symbolisiere, vor die sich das ganze Land gestellt sah. Im Gemeinschaftsraum starrten die Fellows verdutzt auf den Bildschirm. Bei diesem neuen Tonfall fröstelte sogar Sir Godber. Er hatte kaum damit gerechnet, das Wort »Malaise« im Zusammenhang mit dem Zustand des Colleges zu hören, und als die Kamera – nachdem sie durch den Alten Hof und den Portikus geschwebt war – die Plastikabdeckung des Turmes heranholte, stöhnte man im Gemeinschaftsraum wie aus einem Munde entsetzt auf.
    »Was trieb einen brillanten jungen Wissenschaftler dazu, seinem Leben und dem einer älteren Frau auf so kuriose Weise ein Ende zu setzen?« fragte Carrington. Dann machte er sich daran, die näheren Umstände von Zipsers Tod auf eine Art zu beleuchten, die seiner Vorwarnung, die Zuschauer müßten damit rechnen, schockiert und überrascht zu werden, alle Ehre machte. »Großer Gott«, rief Sir Cathcart, »was hat dieses Ekel bloß vor?« Der Dekan schloß die Augen, und Sir Godber nahm einen großen Schluck Cognac.
    »Ich fragte den Herrn Dekan um seine Meinung«, fuhr Carrington fort, und der Dekan öffnete die Augen, um einen Blick auf sein eigenes Gesicht zu werfen, das nun auf dem Schirm erschien.
    »Meiner Ansicht nach kommen die jungen Männer heutzutage mit dem Kopf voll von anarchistischem Unfug hierher. Offenbar sind sie überzeugt, die Welt unter Gewaltanwendung verändern zu können«, hörte der Dekan sich selbst der Welt sagen. »So war das nicht gemeint«, rief der Dekan. »Von Zipser war

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