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Schwanenschmaus im Porterhouse

Schwanenschmaus im Porterhouse

Titel: Schwanenschmaus im Porterhouse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Sharpe
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emotionalintellektuellen Symbiose, er senkte den Kopf und informierte einen Krokus über die kathartische Wirkung einer geschlechtlichen Vereinigung, er schaute zum Schornstein aus dem fünfzehnten Jahrhundert hoch und pries das soziale Engagement der Jugend, ihre energische Besorgnis und berechtigte Ablehnung antiquierter Traditionen, die... Dann begeisterte er sich beredt für sinnvolle Beziehungen und empfahl, Prüfungen abzuschaffen. Vor allen Dingen lobte er die Jugend. Die Älteren – womit er offenbar alle über fünfunddreißig meinte – dürften der Jugend nicht im Weg stehen, deren Körper und Geist offen sei ... Sogar Sir Godber stockte an dieser Stelle, so daß Carrington ihn wieder zum Thema »Soziales Engagement« lotsen mußte, das er als eigentlichen Gewinn einer akademischen Bildung ansah. Der Rektor bestätigte, daß ein Gefühl für soziale Gerechtigkeit in der Tat das Kennzeichen eines gebildeten Geistes sei. Carrington hielt die Kameras an, und Sir Godber begab sich in der Gewißheit ins Rektorhaus, gegen Ende den richtigen Ton getroffen zu haben. Dieser Meinung war auch Carrington. Während seine Kameraleute Großaufnahmen der Wappentiere an der Vorderseite des Haupttores schossen, gefolgt von einem Schwenk über die mit Spitzen gespickte hintere Mauer, fuhr Carrington in die Rhyder Street und bearbeitete eine Stunde lang Skullion. »Ich möchte doch nur, daß Sie mit ins College kommen und über Ihr Leben als Oberpförtner berichten«, teilte er ihm mit. Skullion schüttelte den Kopf. Carrington versuchte es noch einmal. »Wir machen ein paar Aufnahmen von Ihnen vor dem Haupttor, und dann stehen Sie einfach auf der Straße und ich stelle Ihnen ein paar Fragen. Sie brauchen das College nicht zu betreten.« Skullion weigerte sich hartnäckig. »Entweder nehmen Sie mich in London auf oder gar nicht«, beharrte er.
    »In London?«
    »War seit dreizehn Jahren nicht mehr in London«, sagte Skullion.
    »Wenn Sie wollen, können wir Sie für einen Tag nach London holen, aber es wäre viel besser, wenn wir das Interview hier filmen würden. Es ginge hier bei Ihnen zu Hause.« Carrington schaute sich anerkennend in der schmuddeligen Küche um. Sie war genau so mitleiderregend, wie er es gerne hätte.
    »Sähe nicht gut aus«, sagte Skullion. Im stillen verfluchte Carrington den alten Trottel.
    »Ich lasse mich auch nicht auf Film aufnehmen«, fuhr Skullion fort.
    »Nicht auf Film aufnehmen?«
    »Ich will live gesendet werden«, sagte Skullion. »Live?«
    »In einem Studio. Wie bei Journalisten fragen – Politiker antworten. Wollte schon immer wissen, was in so einem Studio vorgeht«, erklärte Skullion. »Es ist doch natürlicher, oder?«
    »Nein«, sagte Carrington, »es ist völlig unnatürlich. Heiß ist es, und es gibt diese riesigen Kameras ...«
    »Genauso will ich’s haben«, sagte Skullion, »was anderes kommt nicht in Frage. Live.«
    »Also schön«, seufzte Carrington schließlich, »wenn Sie darauf bestehen. Natürlich müssen wir zuerst Probeaufnahmen machen. Ich werde Ihnen Fragen stellen, und Sie antworten. Wir gehen es rasch durch, damit uns keine Fehler unterlaufen.« Verärgert verließ er das Haus; Skullions Hartnäckigkeit empfand er zwar als störend, aber er wußte, daß der Sendung ohne ihn der dramatische Effekt fehlen würde. Wenn Skullion unbedingt nach London kommen wollte und sich, abergläubisch wie er war, weigerte, »auf Film aufgenommen« zu werden, mußte man ihn eben versöhnlich stimmen. In der Zwischenzeit könnten die Kameraleute Rhyder Street und das Haus des Oberpförtners wenigstens von außen filmen. Er fuhr zurück nach Porterhouse und sammelte sein Filmteam auf. Es blieb nur noch ein Interview übrig, das mit General Sir Cathcart D’Eath im Schloß Coft.
    Eine Woche später fuhren Carrington und Skullion gemeinsam nach London. Carrington hatte die Woche im Schneideraum verbracht und den erläuternden Kommentar aufgenommen, war aber die ganze Zeit über den quälenden Verdacht nicht losgeworden, daß irgend etwas nicht stimmte; das bezog sich nicht auf die Endfassung seiner Sendung, sondern auf Skullion. Dessen Verdrossenheit, die Carrington überhaupt erst auf ihn aufmerksam gemacht hatte, war wie weggeblasen. An ihre Stelle waren Ruhe und ein Bewußtsein der eigenen Stärke getreten. Es schien, als habe Skullion seit seiner Entlassung an Statur gewonnen und verfolge nun einzig und allein seine eigenen Interessen. Das würde Skullions Eindruck auf sein

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