Schwanenschmaus im Porterhouse
nie die Rede!«
Carrington widersprach sofort. »War es für Sie der selbstzerstörerische Nihilismus eines überarbeiteten jungen Mannes?« fragte er.
»Porterhouse war schon immer ein sportorientiertes College. Früher haben wir versucht, ein Gleichgewicht zwischen Wissenschaft und Sport zu schaffen«, erwiderte der Dekan. »Die Frage hat er mir nie gestellt«, brüllte der echte Dekan. »Er reißt meine Worte aus dem Zusammenhang.«
»Das war in Ihren Augen kein Akt sexueller Verirrung?« unterbrach Carrington.
»Im Collegeleben spielt Promiskuität keine Rolle«, bestätigte der Dekan.
»Sie haben aber Ihre Meinung deutlich geändert, Dekan«, rief der Kaplan. »Das höre ich aus Ihrem Munde zum erstenmal.«
»Das habe ich nie gesagt«, brüllte der Dekan. »Ich sagte ...«
»Pst«, sagte Sir Godber, »ich möchte gern hören, was Sie gesagt haben.«
Der Dekan lief im Dunkeln puterrot an, während Carrington fortfuhr. »Ich unterhielt mich mit dem Kaplan von Porterhouse im Garten der Fellows«, teilte er der Öffentlichkeit mit. An die Stelle des Dekans und des Bischofs Firebrace waren Steingärten, Ulmen und zwei winzige Gestalten getreten, die über den Rasen schlenderten.
»Ich hätte nie gedacht, daß der Garten so groß ist«, sagte der Kaplan nach einem Blick auf seine weit entfernte Gestalt.
»Das liegt an der Verzerrung durch das Weitwinkelobjektiv ...«, setzte Sir Cathcart zu einer Erklärung an. »Verzerrung?« knurrte der Dekan. »Verzerrt ist gar kein Ausdruck, die ganze verfluchte Sendung stellt eine einzige Verzerrung dar.«
Die Kamera holte den Kaplan näher heran. »Das College hatte früher mal ein Bordell, müssen Sie wissen. Die Leute tun gerne so, als sei es ein Nonnenkloster gewesen, doch in Wirklichkeit war’s ein Puff. Im fünfzehnten Jahrhundert war so was ganz normal«, hallte die Stimme des Kaplans über den Rasen. »Brannte 1541 ab. Wirklich sehr schade. Soll nicht heißen, daß es keine Nonnen waren. In solchen Dingen waren die Katholiken immer sehr tolerant.«
»Soviel zur ökumenischen Bewegung«, murmelte der Obertutor.
»Sie sind also nicht der Meinung des Dekans, daß ...«, begann Carrington.
»Der Meinung des Dekans? Auf gar keinen Fall«, rief der Kaplan. »Bin ich noch nie gewesen. Komischer Vogel, dieser Dekan. Die vielen Fotos von jungen Männern in seinem Zimmer! Außerdem wird er langsam alt. Wie wir alle, wie wir alle.« Langsam entfernte sich die Kamera und ließ den Kaplan als einsame Gestalt in der Landschaft zurück, deren Stimme leiser wurde, bis sie wie das entfernte Krächzen von Saatkrähen klang.
Der Kaplan wandte sich an den Obertutor. »Das war wirklich nett, sich so auf dem Bildschirm zu sehen. Ungemein aufschlußreich.« Aus der Ecke des Dekans ertönte ein ersticktes Grunzen. Auch der Obertutor schluckte und starrte auf den Fluß bei Fen Ditton. Ein Achter bog um die Flußbiegung namens Grassy Corner, hinter ihm her strampelte ein Berufsjugendlicher mit Sportjacke und Mütze. Als der Achter nähergekommen und wieder verschwunden war, füllte das verschwitzte Gesicht des Obertutors das Bild. Er hielt an und stieg vom Rad. Carringtons Stimme durchbrach sein Japsen.
»Sie sind nun seit zwanzig Jahren Trainer, und in diesem Zeitraum müssen Sie einige grundlegende Veränderungen in Porterhouse miterlebt haben. Was halten Sie von der Sorte junger Männer, die heutzutage Cambridge besucht?«
»Ich habe in meinem Leben schon so manches hasenfüßige Schwein gesehen«, brüllte der Obertutor, »aber etwas Derartiges ist mir noch nicht untergekommen. So eine erbärmliche Memmenhaftigkeit habe ich noch nie erlebt.«
»Würden Sie das aufs Rauchen von Gras zurückführen?« erkundigte sich Carrington.
»Natürlich«, antwortete der Obertutor, um gleich darauf vom Bildschirm zu verschwinden.
Im Gemeinschaftsraum war der Obertutor sprachlos vor Wut. »Solche Fragen hat er mir überhaupt nicht gestellt. Er war nicht mal da«, keuchte er schließlich. »Mir hat er erzählt, er würde mich einfach nur am Fluß filmen.«
»Das nennt sich dichterische Freiheit«, sagte der Kaplan und schwieg dann wieder, als Carrington und der Obertutor im Speisesaal und zwischen den Tischen umherschlendernd auftauchten. Die Kamera richtete sich auf mehrere Porträts übergewichtiger Rektoren, ehe sie auf dem Obertutor verweilte. »Schon seit langer Zeit erfreut sich Porterhouse des Rufes, daß man hier versteht zu leben«, sagte Carrington. »Würden Sie sagen, die mit
Weitere Kostenlose Bücher