Schwanenschmaus im Porterhouse
nicht denken«, sagte er in dem verzweifelten Versuch, Ruhe zu bewahren, »daß viele den Worten eines Collegeportiers Beachtung schenken werden. Die Öffentlichkeit hat glücklicherweise kein sehr gutes Gedächtnis.«
»Verfluchter Schurke«, knurrte Sir Cathcart. »Gehört ausgepeitscht.«
»Was? Skullion?« fragte der Obertutor.
»Dieses Schwein Carrington«, rief der General. »Überhaupt war es Ihre Idee«, sagte der Dekan. »Meine Idee?« brüllte Sir Cathcart. »Sie haben ihm diesen Floh ins Ohr gesetzt.«
Der Kaplan griff ein. »Ich bin schon immer der Ansicht gewesen, daß es ein Fehler war, ihn in den Brunnen zu tauchen.«
»Morgen früh werde ich meinen Anwalt konsultieren«, erklärte der Dekan. »Ich glaube, wir haben genug Gründe für eine Anzeige. Schließlich gibt es ja so etwas wie Verleumdung.«
»Ich muß gestehen, daß ich keinerlei Anlaß zu juristischen Schritten sehe«, sagte der Kaplan. Bei dem Gedanken an solche Schritte wurde Sir Godber ganz anders.
»Er hat sich Fragen auf bereits von mir gegebene Antworten aus den Fingern gesogen«, sagte der Obertutor. »Das ist schon möglich«, räumte der Kaplan ein, »aber es zu beweisen, dürfte Ihnen schwerfallen. Würde man jedenfalls mich fragen, dann müßte ich antworten, daß er unsere Ansichten dem Geiste, wenn auch nicht dem Buchstaben nach korrekt wiedergegeben hat. Schließlich finden Sie ja wirklich, daß die jetzige Studentengeneration ... wie hieß es doch gleich? ... ein Haufen hasenfüßiger Schweine ist. Daß Sie dies jetzt in aller Öffentlichkeit verkündet haben, mag zwar bedauerlich sein, aber wenigstens ist es ehrlich.«
Sie wetterten immer noch, als der Rektor eine Stunde später endlich den Gemeinschaftsraum verließ und sich durch den Garten in sein Haus begab, erschöpft von der Sendung und dem bösen Blut, das sie unter den Fellows erzeugt hatte. Über den Rasen stolpernd, war er sich immer noch nicht sicher, welche Folgen die Sendung haben würde. Er versuchte sich mit dem Gedanken zu beruhigen, daß die öffentliche Meinung im großen und ganzen fortschrittlich sei, und daß ihn sein Ruf als Reformpolitiker sicher durch den zu erwartenden Schrei der Entrüstung lotsen würde. Was hatte ihn eigentlich an seinem eigenen Fernsehauftritt so entsetzt? Zum ersten Mal im Leben hatte er sich so gesehen, wie andere ihn sahen: als alten Mann, der mit absolut nicht überzeugend wirkender Überzeugung Klischees herunterbetete. Er betrat das Haus und schloß die Tür. Im Schlafzimmer im Obergeschoß entledigte Lady Mary sich träge ihres Korsetts. Sie hatte sich die Sendung allein angesehen und sie auf merkwürdige Art anregend gefunden. Zum einen hatte sie ihre Meinung vom College bestätigt, zum anderen hatte sie der warme Hermaphrodismus Cornelius Carringtons aufs neue erregt. Das Alter und der Rubikon Klimakterium hatten Lady Marys Appetit auf solche Männer verstärkt, zudem fand sie seine verletzliche Mittelmäßigkeit anrührend. Wie immer bei Lady Mary wurde auch diese Zuneigung durch die Entfernung verklärt, und einen kurzen hemmungslosen Augenblick lang sah sie sich als intime Gönnerin dieses Idols der Medien. Sir Godber, das mußte sie zugeben, war verbraucht, Carrington dagegen immer noch einflußreich. Sie dämpfte diesen Impuls mit Cold Cream, doch es war noch genug Lebhaftigkeit vorhanden, um Sir Godber zu überraschen, als der ins Bett kam. »Das ging doch alles in allem ziemlich gut, findest du nicht?« fragte sie, als der Rektor müde seine Schnürsenkel löste. Sir Godber sah niedergeschlagen auf.
»Natürlich, am Schluß kam dann diese gräßliche Kreatur«, gab Lady Mary zu. »Mir ist unbegreiflich, was der da zu suchen hatte.«
»Mir nicht«, sagte Sir Godber.
»Ansonsten hat mir die Sendung gefallen. Der Dekan gab eine sehr dümmliche Figur ab.«
»Wir haben alle eine unglaublich schlechte Figur abgegeben«, entgegnete Sir Godber.
»Gewarnt hat er dich ja«, erinnerte ihn Lady Mary. »Er sagte, er müsse beide Seiten des Problems zeigen.«
»Daß er es von unten zeigen müsse, hat er nicht gesagt«, fauchte Sir Godber. »Er hat uns alle wie Vollidioten aussehen lassen, und was Skullion angeht, so könnte man meinen, wir hätten dem verdammten Kerl Unrecht getan.«
»Gehst du da nicht ein bißchen zu weit?« fragte Lady Mary. »Schließlich sah doch jeder, daß er ein entsetzlicher Hornochse ist.«
Sir Godber ging ins Bad und putzte sich die Zähne, während Lady Mary es sich mit der neuesten
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