Schwanentanz
erwartete sie am Wasserfall, hinter dem eine Höhle mit Zugang zum Síd verborgen lag. Sie ließ Aiden und Brandon Aufstellung nehmen, ohne die Fesseln auch nur zu lockern, und schwieg. Minuten dehnten sich vor dem Tosen des Wassers zu Stunden und Brandons Knie fühlten sich bald an wie verfaulende Pilze. Er konnte sich kaum noch auf den Beinen halten. Als Aiden zu schwanken begann, sprach Cara. Es waren leise Worte von Enttäuschung, Versagen, mangelnder Dankbarkeit und missbrauchter Treue. Innerlich flehte Brandon, Cara solle das Palaver aufhören, sie bewusstlos prügeln oder für ihren Zauber zur Ader lassen. Er wollte nur endlich einen Grund finden, sich auf den Boden zu werfen und nicht länger stehen zu müssen. Doch die Lady hatte andere Pläne.
Mit ihrer kristallenen Klinge schlitzte sie erst Brandons Kleidung auf und riss sie ihm vom Körper, ohne seine Fesseln zu lösen. Danach tat sie Gleiches mit Aiden. Sie inspizierte jede Wunde und lobte die drei Krieger für ihre Arbeit: keine bleibenden Verletzungen. Der Himmel verdunkelte sich, bekam die Farbe von Schmutzwasser, in dem die Krieger ihre Stiefel und Waffen von Erde und Blut reinigten. Brandon hörte fast nur das Rauschen vom Wasserfall. Oder rauschte es in seinen Ohren? Vielleicht war es sein Blut, das vor böser Ahnung so laut durch seine Adern strömte. Er konnte an nichts anderes als Blut denken.
Cara flüsterte Flynn und Dregan Anweisungen in die Ohren. Flynn nahm Brandon die Fesseln ab, behielt jedochdas Ende der Schlinge in der Hand, die sich um seine Kehle schmiegte. Flynns Lider waren gesenkt. Im Licht der untergehenden Sonne wirkten seine Haare rötlich und seine Augen fast schwarz. Der Zug um seine Mundwinkel sprach von einer Furcht, die beim Kampf nicht dagewesen war. Brandons Körper zitterte. Scham durchlief ihn, aber er kam nicht dagegen an. Die Muskeln seiner Arme waren durch die Fesseln so überstrapaziert, dass er sie nicht einmal mehr heben und vor der Brust verschränken konnte. Cara trat an ihn heran. Sie begann, seine Brust zu streicheln, zu massieren. Dann seine Oberarme. Er schwankte. Der Waldboden war zu weich, um fest darauf zu stehen. Er schien unter seinen Füßen zu wabern, wie der Gischtnebel, der aus dem Tosbecken aufstieg und um ihre Waden glitt.
„Ich mache mir nicht die Finger schmutzig, um Verräter zu bestrafen“, sagte sie.
Eine Sekunde lang lag ihm eine sarkastische Bemerkung auf der Zunge. Vermutlich hätte sie sie ihm dafür herausgeschnitten. Sie war es, die ihn vor Dummheiten bewahrte, denn sie sprach rasch weiter: „Ihr werdet es selbst tun. Knie nieder, Brandon.“
Er ließ sich fallen. Die nachlassende Muskelspannung sandte Schmerz durch seine Beine, aber er hieß diesen Schmerz willkommen. Nur endlich nicht mehr aufrecht stehen zu müssen …
Er drückte die Stirn ins feuchte Gras, genoss die Kühle auf der erhitzten, von Schweiß und Blut verklebten Haut. Was um ihn herum geschah, bemerkte er erst, als ihm schwach etwas gegen den gekrümmten Rücken klatschte. Er sah auf, sein Blick traf auf Aiden, der vor ihm stand und Rotz und Wasser heulte.
„Nein!“ Caras herrische Stimme erhob sich mühelos über die Geräusche des Wasserfalls. „Für jeden halbherzigen Schlag zehn richtige mehr. Mach es vernünftig Aiden, sonst ist er in einer Stunde tot.“
Brandon entwich ein Stöhnen, da er begriff, es klang genervt in seinen eigenen Ohren.
Der zweite Schlag traf seinen unteren Rückenbereich und spie Schmerz in alle Zehen und bis in jede Finger-kuppe. Brandon schlug die Zähne zusammen. Aiden heulte. Drei Hiebe später zerriss Fleisch unter der Gewalt der Peitsche und sie heulten beide.
Und dennoch wäre Brandon lieber liegengeblieben und hätte sich die ganze Nacht lang schlagen lassen, statt sich nach der Prozedur auf die Füße zu kämpfen und die Peitsche selbst zur Hand zu nehmen, während Aiden zu einem gebeugten Häufchen zusammenfiel wie ein Igel, dem man die Stacheln herausgerissen hatte.
„Bestrafe ihn“, hauchte Cara. Sie stand hinter Brandon, drückte sich an seinen zerfetzten Rücken und streichelte seine Brust. „Er ist schuld. Er hat dich dazu getrieben, mich zu verraten.“
Seine Hand schloss sich mit aller verbliebenen Kraft um den Peitschengriff. Das Leder war dick wie ein Unterarm, weich wie ein trauriger Schwanz und grausam scharf wie verlorene Freiheit. Cara griff ihm ans Glied, reizte ihn, rieb ihn, und lachte ihm leise ins Ohr, als sein Körper widerwillig reagierte.
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