Schwanentanz
geschlagen. Als Kinder zwar, aber was waren schon die paar Jahre. Gegenseitige Verachtung war neu und erfüllte ihn mit so viel Abscheu, dass seine Gedanken zu rotieren begannen wie panische Pferde in einem Pferch. Verdammt, was hatte er Aiden getan, dass er ihm so viel Hass entgegenbrachte? War es die Tatsache, dass er Cara gehorcht und ihn gefoltert hatte? Als Strafe, weil er sein besonderes Geschenk, Sex mit Aiden zu haben, solange dieser keine Angst empfand, abgelehnt und ihn stattdessen lieber mit dem Leder verdroschen hatte? Verdammt, es war doch nicht das erste Mal und würde nicht das letzte Mal gewesen sein.
„Aiden, du weißt so gut wie ich, dass ich keine Wahl hatte. Cara hätte mich ihr hörig gemacht und dann wäre es schlimmer geworden. Du weißt, dass es kein Widersetzen gibt, verdammt, du weißt es!“
Aidens Oberlippe zuckte. Brandon hatte nie so viel verletzten Stolz in seinen Augen gesehen. Und nie mehr Verzweiflung.
„Was hast du dir erbeten mit dem magischen Tropfen?“, fragte Aiden leise. „Bist du jetzt frei? Sie hat dich gehen lassen, nicht wahr? Spar dir den Abschied, ich will kein Wiedersehen. Verpiss dich einfach.“
„Jederzeit“, blaffte Brandon zurück. „Sobald du mir gesagt hast, was du eigentlich von mir willst.“
„Ich weiß es, Brandon, gib dir keine Mühe.“
„Was? Was weißt du?“
Statt zu antworten, packte Aiden ihn am Hemd und zog ihn auf die Beine. Der Stoff riss mit einem Ratschen,Aiden griff ihm kurzerhand ins Haar. „Mitkommen!“
„Es reicht!“ Brandon befreite sich, indem er Aiden gegen die Kehle boxte. Während der andere hustete und gegen ein Würgen kämpfte, strich er sich durchs Haar.
„Ich komme mit dir. Geh, los!“
„Du gibst mir keine Befehle mehr“, krächzte Aiden. „Nie wieder, das schwöre ich dir.“
Dennoch setzte er sich in Bewegung und Brandon folgte ihm. Die Ahnung, die sich in ihm ausbreitete, machte seine Schritte schwer, aber er brauchte Gewissheit. Wie befürchtet führte Aiden ihn zu der Kammer, in der er den Venuskelch versteckt hatte.
dó héag - zwölf
A
ls es an Suzannas Tür klopfte, schlug ihr Herz den Takt mit. Es gab nur einen, der sie hier besuchte und allein die Ahnung, ihn gleich in ihr Haus zu bitten, sandte eine erwartungszitternde Vorfreude durch ihren Körper. Sie lief zur Tür, verharrte und warf einen Kontrollblick in den Spiegel. Ihre Reflexion lächelte mit geröteten Wangen. Herrje, wurde das etwas Ernstes? Sie schüttelte den Gedanken ans Verlieben beiseite und öffnete. Im nächsten Moment musste sie sich Mühe geben, sich die Enttäuschung nicht anmerken zu lassen. Vor der Tür stand ein älterer Mann, klein und drahtig, gekleidet in grobe Arbeiterkleidung, etwa zwei Nummern zu groß. Die Knie seiner Jeans waren durchgewetzt, die Ärmelsäume seines Flanellhemdes, das viel zu warm für die Jahreszeit sein musste, verschlissen. Um seinen Hals hing ein grob geschnitztes Kreuz aus dunklem Holz.
„Mrs. Williams?“, fragte er mit rauer Stimme.
„Die bin ich. Was wünschen Sie?“
„Ich hab da was gehört. Kann ich reinkommen?“
Suzanna warf einen Blick über seine Schulter. Neben ihrem Tigra parkte ein rostiger Peugeot Pick-up. Auf der Ladefläche hockten zwei Kerle und starrten reglos zu ihr herüber. Ein weiterer Mann, der bei geöffnetem Fenster auf dem Beifahrersitz saß, hob lässig eine Hand zum Gruß.
„Ich weiß nicht recht“, gab sie zu. Die Typen waren ihr nicht geheuer. „Wer sind Sie überhaupt und wie kann ich Ihnen helfen?“
„Die nennen mich hier den alten Alec“, sagte der Mann. „Das da im Wagen ist mein Sohn, der ist gerade zu Besuch.“
Suzanna hob auffordernd die Brauen, weil er nicht weitersprach.
Er seufzte. „Ich muss mit Ihnen über einen Mann reden, zu dem Sie Kontakt hatten.“
Damit konnte nur Brandon gemeint sein. Unbehagen kribbelte in Suzannas Magen. Brandon hatte Geheimnisse, vielleicht mehr, als er selbst ahnte. Was wollten diese Männer von ihm?
„Kommen Sie rein, Mr. …“
„Alec. Nur Alec. Danke.“
Sie führte den Mann in die Küche, setzte sich jedoch nicht. Auch der alte Alec blieb stehen und knetete einen Zipfel seines Hemdes, wobei es hochrutschte und ledrige, schlaffe Haut am Bauch zum Vorschein kam. Sie bemühte sich, ihn nicht anzustarren. Seine Wangen sahen aus, als hätte die Sonne sie unzählbare Male verbrannt. Die Augen waren von wässrigem Blau, dabei aber scharf, und in ihnen glänzte eine Verzweiflung, die ihr
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