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Schwangerschaft ist keine Krankheit

Schwangerschaft ist keine Krankheit

Titel: Schwangerschaft ist keine Krankheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jael Backe
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einen solchen Mutterpass der ersten oder zweiten Generation, der mit seinen historisch gewordenen Einträgen damaliger Ärzte und dem kleinen, fast schmächtigen Format einen nostalgischen Charme ausstrahlt. Er enthält überraschend wenige Seiten und Rubriken. Seither sind mit jeder Neufassung, die der Gemeinsame Bundesausschuss beschließt, neue Beratungsinhalte, Labor- und sonstige Untersuchungen hinzugekommen. Gerade wurde angekündigt, dass Umstellungen und Neuerungen in den Mutterschafts-Richtlinien schneller als bisher im Mutterpass berücksichtigt werden sollen. Deshalb wird der Pass jetzt halbjährlich aufgelegt und gedruckt. Einige Screenings stehen schon in der Warteschleife für die Aufnahme. Ich bin mir sicher, weitere Untersuchungen werden folgen. Dabei werden übrigens nur solche Untersuchungen in den Mutterpass neu aufgenommen, deren Nutzen im Sinne der Schwangerschaft wissenschaftlich erwiesen ist.
Die Motive für so viele Untersuchungen in der Schwangerenvorsorge
    Was bewegt die Verantwortlichen in den entsprechenden Fachgremien dazu, so viele Untersuchungen in den Mutterpass aufzunehmen? Es geht hier nicht um Machtgier, Wichtigtuerei oder finanzielle Erwägungen. Dahinter steht tatsächlich der Wille, den Schwangeren die bestmögliche Vorsorge zukommen zu lassen, und auch die Zusage, diese mit bestimmten Ausnahmen zu bezahlen. Die Schwangerenvorsorge ist teuer für die Krankenkassen, hier wird nicht gespart. Im Jahr 2006 betrugen die Kosten für das Gesundheitswesen durch Schwangerschaft, Geburt und Wochenbett immerhin 3,1 Milliarden Euro.
    Der Mutterpass wird auf diese Weise immer dicker, die Zeilen immer enger gedrängt, die Anzahl der Spalten nimmt zu. Wie soll das weitergehen? Wie viele Untersuchungen werden in den nächsten Jahren und Jahrzehnten hinzugefügt werden? Welche Beratungsflut wird in 20 Jahren über schwangere Frauen wie Sie niedergehen?
    Konzentration auf das Wesentliche, ein wenig »Abspecken« wäre für die nächsten Fassungen des Mutterpasses wünschenswert, damit das ganze Vorhaben nicht an Glaubwürdigkeit verliert. Das Technisierte, das Erzeugen von Messwerten, das sogenannte Objektivieren nimmt überhand. Ich plädiere für mehr Fürsorge und weniger messwertorientierte Vorsorge in der Schwangerschaft.
    Solange dieses Übermaß an Vorsorge besteht, sollte für Sie als Schwangere die Möglichkeit bestehen, nur die für Sie wirklich entscheidenden Untersuchungen auswählen zu können. Wenn Sie ein hohes Sicherheitsbedürfnis haben, werden Sie sich im bestehenden System gut aufgehoben fühlen. Vielleicht wäre Ihnen weniger Vorsorge aber lieber.
    Ein Vorbild, wie das gehandhabt werden könnte, ist die Änderung der Mutterschafts-Richtlinien bezüglich der Ultraschalluntersuchung. Hier haben Sie als Schwangere zukünftig die Möglichkeit auszuwählen, welches Ausmaß an Untersuchungen Sie wünschen. Sinnvoll wäre beispielsweise die Wahl zwischen drei Varianten der Schwangerenvorsorge: Die erste Variante wäre eine Art Minimalpaket mit den ganz wichtigen, unverzichtbaren Untersuchungen. In der mittleren Variante gäbe es zusätzliche Untersuchungen für Frauen mit höherem Sicherheitsbedarf. Die dritte Gruppe wäre schließlich eine Art »Komplett-Paket« mit der Maximalvorsorge auf Wunsch. Auf diese Weise könnte jede Frau selbst entscheiden, wie viel Vorsorge sie braucht – und wie viele Untersuchungen sie verkraften kann.
    Fazit: Zurzeit haben Sie während Ihrer Schwangerschaft keine große Wahlmöglichkeit hinsichtlich der Vorsorgeuntersuchungen, der Großteil ist verbindlich vorgegeben und auf das Erkennen von Risiken ausgerichtet. Als Schwangere werden Sie überwacht wie ein Hochsicherheitstrakt. Lassen Sie sich dennoch bitte nicht vom Denken an Risiken und von medizinischen Schematismen erdrücken. Schwangerschaft ist keine Krankheit – und das soll auch so bleiben.
    Â 

Kapitel 7
»Ü 40« und schwanger
Stationen einer Risikoschwangerschaft
    Â»Die Anrufung eines Rechtes auf Unwissenheit als auf ein Gut ist, soviel ich sehe, neu in ethischer Theorie, die seit je den Mangel an Wissen als einen Defekt im menschlichen Zustand beklagt (…).« (Jonas 1987)
    Es war so weit: Carla Bruni, die Ehefrau des französischen Ex-Präsidenten, hatte ihre Tochter, von den Franzosen liebevoll »Le premier

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