Schwangerschaft ist keine Krankheit
Arzt, Patient, Versicherung und Krankenhaus vermitteln sollen. Dies Phänomen ist symptomatisch für mangelnde Kommunikation, für zu wenig Vertrauen und einen Mangel an Wärme in der Arzt-Patient-Beziehung. Der Arzt steckt fest in diesem System, er kann gar nicht anders. Viele Ãrzte leiden selbst darunter, haben sie doch einst diesen Beruf ergriffen, um helfen zu können.
Fazit: Ich bin mir sicher, dass eine Spur von Tender loving Care â und sei es nur als innere Einstellung und angestrebtes Ideal â unserem Medizinbetrieb neben aller berechtigten und notwendigen medizinischen Akkuratesse nicht schaden könnte.
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Kapitel 9
Vorgeburtliche Programmierung
Der Mutterleib als prägende Umwelt des UnÂgeÂborenen, die Mutter als wandelnder RisikoÂfaktor
»Das Kind bedarf keines Gestirns und keines Planeten; seine Mutter ist sein Planet und sein Stern.« (Paracelsus)
In München fand im Mai 2010 ein Kongress unter dem Motto »The power of programming« â »die Macht des Programmierens« â statt. Dabei handelte es sich aber nicht um ein Treffen von Computerspezialisten, sondern um einen ziemlich jungen Forschungszweig der Medizin, der sich mit der sogenannten vorgeburtlichen Programmierung beschäftigt. Das Wort »ProÂgramÂmierung« ist uns eher aus dem Umgang mit technischen Geräten und Maschinen geläufig. Wir programmieren unser Handy, unseren PC oder unser Navigationsgerät. Werden bei der »vorgeburtlichen Programmierung« Babys programmiert?
Die vergangenen zwei Jahrzehnte standen wissenschaftlich unter dem Vorzeichen bahnbrechender Entdeckungen im Bereich der Genetik. Die Wissenschaft war überzeugt davon, dass Krankheiten entweder durch erbliche Anlagen entstehen, die im menschlichen Erbgut fest verankert sind, oder durch Umwelteinflüsse erzeugt werden. Man begann, das menschliche Erbgut zu analysieren. Es wurden viele Gene entdeckt, unter anderem solche, die bei der Entstehung von Brust- und Darmkrebs eine Rolle spielen. Die Veröffentlichungen jagten sich, weltweit herrschte eine »wissenschaftliche Goldgräberstimmung«.
Im Juni 2000 verkündete der damalige US-Präsident Bill Clinton im Rahmen einer Pressekonferenz die Entschlüsselung des kompletten menschlichen Erbgutes durch das Human-Genom-Projekt. Alle glaubten damals voller Stolz und Hoffnung, dass nun der Bauplan des Menschen bekannt sei und dass bald die meisten Krankheiten erklärbar und damit auch heilbar sein würden. Dies war eine Illusion. Es dauerte nicht lange, bis die Wissenschaftler erkannten, dass die Erbanlagen allein nicht der Schlüssel zum Verständnis von Erkrankungen sind.
In GroÃbritannien gab es eine interessante Studie an Neugeborenen, die von sogenannten Leihmüttern ausgetragen worden waren. Leihmütter sind Frauen, die für eine andere Frau einen Embryo austragen, die also ihre Gebärmutter für die Dauer einer Schwangerschaft zur Verfügung stellen. Es fiel auf, dass das Geburtsgewicht des Neugeborenen eher vom Körpergewicht der Leihmutter abhing als vom Gewicht der natürlichen Mutter. Dies gab einen deutlichen Hinweis darauf, dass Einflüsse während der Schwangerschaft in Bezug auf das kindliche Geburtsgewicht weitaus wichtiger sind als genetische Faktoren.
Es wurde klar, dass Erbanlagen durch verschiedene Umwelteinflüsse wie beispielsweise Ernährung, Klima, Stress oder starke psychische Eindrücke modifiziert werden können. Durch die jeweilige Umwelt können sie in ihrer Aktivität beeinflusst werden. Das war die Stunde des neuen Forschungsbereichs der sogenannten Epigenetik. Sie erforscht veränderbare Eigenschaften von Zellen, die nicht im genetischen Code des Menschen festgelegt sind und dennoch vererbt werden können.
Wir Menschen unterliegen einer sogenannten »epigenetischen Prägung«: Wir haben nicht nur Erbanlagen (Gene) geerbt, sondern wir verfügen über ein sogenanntes Epigenom, das wir teilweise selbst modellieren können.
Diese Prägung der dauerhaften zukünftigen Funktionsweise von Organen und Organsystemen findet zum groÃen Teil bereits im Mutterleib und in den ersten Lebenswochen des Neugeborenen statt. Der Mutterleib ist der zentrale Ort der vorgeburtlichen Prägung, ist die erste Umwelt des Ungeborenen. Im Mutterleib wird »programmiert«, wie die Organe des Ungeborenen lebenslang arbeiten werden. Kommt es in dieser
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