Schwartz, S: Blutseelen 1: Amalia
Kaufhäuser erreicht und tauchten in der Masse der schwarz gekleideten Menschen unter. Amalia bestaunte die fantasievollen Kostüme und Kleidungsstücke – sowohl die im Laden, als auch jene, die die Menschen um sie herum trugen.
„Faszinierend“, stellte sie fest, als sie eine Frau in einem roten Lackanzug sah. Das Material saß hauteng.
Aurelius folgte ihren Blicken. „Hast du so etwas schon einmal getragen?“
Sie schüttelte den Kopf.
„Das Material ist sehr durchlässig. Berührungen werden intensiv wahrgenommen. Viele Frauen fühlen sich darin nackt.“ Er zeigte ihr mehrere Latexkleider und Anzüge, die in einem hinteren Bereich des Ladens hingen.
„Das würde ich nie tragen“, wehrte Amalia ab.
Aurelius lächelte rätselhaft. „Ich finde, es ist immer eine Herausforderung, wenn jemand zu mir sagt, er würde etwas niemals tun.“
„Vergiss es.“
Er hob die Schultern. „Es gibt genug andere Sachen. Such dir etwas aus, ich bezahle es.“
Amalia starrte ihn an. „Warum solltest du für mich bezahlen?“ Sie hörte selbst, wie empört sie klang. Wollte er sie kaufen? Sie für die gemeinsame Zeit bezahlen, wie eine Prostituierte?
Er seufzte. „Schau mich nicht so an, als würde ich dich zu meiner Sexsklavin machen wollen. Das ist ein unverbindliches Angebot. Ich habe jede Menge Geld, und ich freue mich, dass du mit mir unterwegs bist. Außerdem bin ich altmodisch. Früher galt es als wohlerzogen, einer Frau etwas auszugeben. Heutzutage bekommt man zum Dank die Augen ausgekratzt.“
„Ich …“
„Tu mir den Gefallen, okay? Such dir was Schönes aus. Gönn dir was. Wenn du den Stand meiner Konten kennen würdest, hättest du nicht solche Skrupel.“
„Woher hast du dein Geld?“
„Einen Teil erarbeitet, einen Teil geerbt. Ich bin Besitzer einer kleineren Firma, die Medikamente herstellt. Ein Familienunternehmen in der Nähe von Frankfurt. Es lässt sich gut mit meinem Studium verbinden.“
„Was für Medikamente?“
„Alles Mögliche. Ich mag jetzt gar nicht an die Arbeit denken. Spiel einfach mit.“
„Okay.“ Amalia war hin- und hergerissen. Wollte er sie vielleicht doch bezahlen? War es so, wie er es sagte?
Er war charmant, gut aussehend und reich. Die Sache musste einen Haken haben.
Sie dachte an die weißhaarige Frau mit den roten Augen. Vielleicht sollte sie die mal nach Aurelius ausfragen. Es war eine alberne Idee, aber ihre Neugierde war geweckt. Es musste einfach auch eine Schattenseite an ihm geben. Ihre Gedanken wanderten zu dem Moment zurück, als er den Mann an ihrem Tisch vertrieben hatte. Sein Blick war einschüchternd gewesen.
Doch jetzt lächelte er sie an. „Ich meine das ernst. Hör auf nachzugrübeln und schau dich um.“
Zögernd ging sie durch das Geschäft, probierte Perücken aus uns zog mehrere Kleider an. Sie kaufte letztlich nicht mehr, als sie für sich selbst ausgegeben hätte. Aurelius blieb die ganze Zeit geduldig bei ihr. Zum Teil probierte er Hemden an oder setzte sich Sonnenbrillen auf. Eine der Brillen nahm er schließlich mit zur Kasse. Es war ein billiges Modell, aber an ihm sah es unglaublich gut aus.
An ihm sah einfach alles gut aus. Er hatte also eine Firma, die Medikamente herstellte, und studierte nebenbei. Ob er vielleicht auch noch modelte? Oder spielte er in Filmen mit? Einen solchen Körper sollte man der Weltöffentlichkeit nicht vorenthalten.
Er nahm ihr die Tüten ab. Als sie den Laden verließen, sah er sich suchend um, die Nase erhoben, ganz so, als würde er wittern, ob die Luft frei war. Überall gingen Menschen, allein, zu zweit oder in Gruppen. Sie alle hatten das schwarz-bunte Outfit gemein. Hier und da waren schwarze Spitzensonnenschirme aufgespannt und verliehen ihren Trägerinnen stilvolle Eleganz.
„Komm!“ Aurelius fasste ihre Hand und zog sie an einer kleineren Menschengruppe vorbei.
Zügig gingen sie zur Straßenbahn und machten sich auf den Weg in die Agra. Zwar war noch eine Menge Zeit bis zum ersten Konzert, das Amalia interessierte, aber die Agra war ein Fest für sich. Sie war ein Konsumtempel der Superlative, wenn man auf ausgefallene Kleidungsstücke in Schwarz stand.
In der Straßenbahn bot sich ein ähnliches Bild wie auf den Straßen, nur war das Bild noch wesentlich komprimierter. Schwarze Stoffe, Nieten, Stachelhalsbänder, Stiefel und weiß geschminkte Gesichter, wohin man blickte. An einem der Fenster saß eine Anhängerin des Visual-Kei-Stils. Sie stach besonders aus der schwarzen Flut
Weitere Kostenlose Bücher