Schwarz auf Rot
Lokalen der New World essen können. Die sind alle pr i vat geführt. Dort bekommen Sie, was Ihr Herz begehrt.«
»Ich bin gar kein so ausgefuchster Feinschmecker«, sagte Chen. »Ich wollte mich vor allem deshalb mit I h nen treffen, weil ich etwas besprechen muß.«
Der Hauptgrund war, daß Oberinspektor Chen sich dazu nicht am Telefon in seinem Büro äußern wollte, wo jeden Moment Parteisekretär Li hereinplatzen konnte. Li gehörte zu jenen, in deren Vokabular das Wort »Priva t sphäre« nicht existierte.
»Nur zu. Erzählen Sie.«
»Hauptwachtmeister Yu, mein langjähriger Partner, sucht e inen jungen Mann namens Bao«, sagte Chen und zog ein Photo aus seiner Brieftasche. »Dieses Photo wu r de vor einigen Jahren in der Provinz Jiangxi aufgeno m men. Wie viele andere Zuwanderer vom Land hat Bao sich hier in Shanghai nicht ordnungsgemäß angemeldet, deshalb tut Hauptwachtmeister Yu sich so schwer, ihn zu finden. Ich glaube zwar nicht, daß dieser Bao Kontakte zu den Blauen oder anderen Triaden hat, aber die G e heimgesellschaften könnten mehr über solche Zuwand e rer wissen als die Polizei.«
»Ich werde mich erkundigen. Es ist bekannt, daß Le u te, die aus Jiangxi kommen, sich vorzugsweise in b e stimmten Stadtteilen niederlassen. In Wenzhou zum Be i spiel, wohin die Kontrolle der Ordnungshüter kaum reicht. Dafür haben die Blauen dort ihre Kontakte.«
»Eben. Die Sache ist ausgesprochen wichtig für me i nen Partner. Wenn Sie noch vor Freitag etwas herausfi n den könnten, wäre ich Ihnen sehr dankbar.«
»Ich werde mein Bestes tun, Oberinspektor Chen.«
»Ich stehe tief in Ihrer Schuld, Gu«, sagte Chen. »Bitte sagen Sie mir so bald wie möglich Bescheid.«
»Wozu hat man denn Freunde, frage ich Sie? Sie sind doch auch für Ihre Freunde da.«
Die Ankunft des Essens verhinderte einen weiteren Austausch, aber Chen hatte bereits genug gesagt.
Ihr Mittagsmahl stellte ihre Erwartungen allerdings nicht zufrieden. Das gulao -Schweinefleisch sah eher aus wie lieblos zubereitetes süßsaures Schweinefleisch, das Rind in Austernsoße war längst nicht so gut, wie sie es in Erinnerung hatten, und die fritierten Milchbällchen w a ren eine Beleidigung.
Wieder einmal bezahlte Gu die Rechnung. Die Bedi e nung griff nach Gus goldener Kreditkarte, diesem untrü g lichen Zeichen von Reichtum, und ignorierte das Ba r geld, das Chen ihr entgegenstreckte.
Am späteren Nachmittag ging Chen mit einem kleinen Bambuskorb voll Obst ins Krankenhaus. An der Rezept i on wurde ihm gesagt, seine Mutter sei in ein anderes Zimmer verlegt worden. Von Angst gepackt, hastete er die Treppe hinauf, wo er schließlich herausfand, daß sie in eines der Zimmer auf der inoffiziellen Privatstation verlegt worden war, die wesentlich besser ausgestattet war. Seine Mutter freute sich über seinen Besuch; sie lag zufrieden in ihrem verstellbaren Bett und wirkte so en t spannt wie seit Wochen nicht mehr.
»Mir geht es wirklich gut«, bestätigte sie. »Sie machen einen Test nach dem anderen mit mir. Du mußt mich a ber nicht jeden Tag besuchen. Vor allem brauchst du mir nichts mitzubringen. Ich habe doch schon so viel b e kommen.«
Das stimmte. Ihr Nachttisch wirkte wie die Auslage eines teuren Feinkostgeschäfts: Räucherlachs, Roast Beef, weiße Schwalbennester, amerikanischer Ginseng, Perlenpuder, schwarze Mu-err-Pilze und sogar eine kle i ne Flasche russischer Wodka.
Chen glaubte zu wissen, von wem dieses Sortiment stammte.
»Das hat nicht alles Überseechinese Lu gebracht«, sagte seine Mutter kopfschüttelnd, so als mißbillige sie etwas Unsichtbares. »Einiges davon stammt von einem gewissen Herrn Gu. Den kannte ich noch gar nicht. Muß ein neuer Freund von dir sein. Er bestand darauf, mich mit ›Tante‹ anzureden, so wie Lu es tut. Er hat den D i rektor des Krankenhauses in mein Zimmer zitiert und ihm vor meinen Augen einen dicken roten Umschlag z u gesteckt.«
»Er ist unverbesserlich, dieser Herr Gu.«
Aber Chen war nicht wirklich überrascht. Weiße Wo l ke hatte ihren Chef natürlich über alles, was Chen betraf, auf dem laufenden gehalten. Immerhin hätte Gu seinen Krankenbesuch bei ihrem gemeinsamen Mittagessen e r wähnen können.
»Seither überschlagen sich die Schwestern und Ärzte vor Freundlichkeit. Sie haben mir dieses Zimmer geg e ben; es ist viel besser als das vorige und eigentlich hohen Kadern vorbehalten«, erklärte sie, noch immer kop f schüttelnd. »Offenbar hast du es zu etwas gebracht, mein
Weitere Kostenlose Bücher