Schwarz auf Rot
enbataillon zierte, als Souven ir aufbewahrt. Als er nach Shanghai gezogen war, hatte er die Schlüssel mitgeno m men.
Er fing an, Pläne zu schmieden, war aber vorsichtig. Er erinnerte sich, daß sie jeden Morgen sehr früh zum Tai-Chi ging. Normalerweise verließ sie das Haus gegen Viertel nach sechs und kam erst nach acht zurück. In di e sem Zeitraum konnte er in ihr Zimmer gehen, mitne h men, was sich ihm dort darbot, und durch den Hinter-oder den Vordereingang wieder verschwinden. Je früher er dort wäre, um so besser, denn die wenigsten ihrer Nachbarn würden schon vor sechs auf sein. Solange ihn niemand aus Yins Zimmer kommen sah, war die Sache nicht weiter gefährlich. Das einzige Risiko bestand darin, daß einer der Nachbarn ihn wiedererkannte. Doch das war eher unwahrscheinlich, da er seit seinem letzten B e such zu einem jungen Mann herangewachsen war. Und selbst wenn sie ihn als Dieb identifizierten, würde die Polizei wohl kein großes Aufhebens um einen kleinen Einbrecher machen und ganz Shanghai nach ihm durc h kämmen.
Um seinen Plan abzusichern, beobachtete er eine W o che lang alles, was in der Gasse passierte. Erst dann en t schloß er sich zu handeln. Er schlich durch die Hintertür ins Haus, kurz nachdem Yin am Morgen des 7. Februar das shikumen verlassen hatte. Dabei hatte er nicht den Eindruck, etwas Unrechtes zu tun, denn aus seiner Sicht stand ihm ein Teil von Yangs Erbe zu.
Doch es dauerte länger als erwartet, bis er etwas Ste h lenswertes fand. Sie hatte kaum Bargeld und auch kein Scheckbuch in ihrem Zimmer, geschweige denn eine Kreditkarte. Endlich fand er in einem Karton unter dem Bett ein englisches Manuskript. Er konnte es natürlich nicht lesen, vermutete aber, worum es sich dabei hande l te.
Als er Schritte auf der Treppe vernahm, achtete er nicht weiter darauf. In diesem Haus wohnten so viele Leute; einige der Frauen gingen immer sehr früh auf den Markt. Doch als ein Schlüssel ins Schlüsselloch gesteckt und umgedreht wurde, erf aßte ihn Panik. Rasch verstec k te er sich hinter der Tür, in der Hoffnung, unerkannt flüchten zu können. Ihr Gesicht verzerrte sich vor Schreck, als sie das verwüstete Zimmer sah; alle Schu b laden waren herausgerissen, und der Karton war unter dem Bett hervorgezogen worden. Als sie sich umwandte, sprang er hinter der Tür hervor, griff nach einem Kissen und preßte es auf ihr Gesicht, während er ihren Körper hart gegen die Wand stieß. Er wollte sie am Schreien hindern, setzte aber zu viel Kraft ein. Als er das Kissen endlich losließ, fiel sie wie ein Sack in sich zusammen.
Es war ihm unmöglich, sich länger mit der Leiche in dem winzigen Zimmer aufzuhalten.
Nach dem, was passiert war, durfte er erst recht nicht riskieren, von den Nachbarn gesehen oder erkannt zu werden. Schließlich handelte es sich um Mord. Er griff sich das Manuskript und die wenigen Wertsachen, die er gefunden hatte, öffnete die Tür ihres Zimmers und trat auf die Treppe hinaus. Durch den Vordereingang zu fli e hen war unmöglich. Jederzeit konnte jemand aus den Zimmern der anderen Flügel kommen.
Als er sich hinunter zum Hinterausgang schlich, en t deckte er die Krabbenfrau, die unmittelbar davor saß. Er hatte keinen Plan, war unschlüssig wie eine kopflose Fliege. Zurück konnte er nicht, und so blieb ihm nur das Versteck unter der Treppe. Als die längsten zwei, drei Minuten seines Lebens vergangen waren, hörte er Lärm in der Gasse. Er spähte hinaus und sah, daß die Krabbe n frau ihren Platz verlassen hatte.
Er stürzte davon.
Baos Bericht dauerte fast zwei Stunden. Beinahe wäre Yu die Kassette ausgegangen. Einige Minuten bevor er fertig war, kam Chen mit seiner Aktenmappe und dem Manuskript unter dem Arm zurück.
Baos Bericht deckte sich weitgehend mit Yus Hyp o thesen, doch einige Details überraschten ihn.
»Er hat die Tat gestanden«, sagte Yu und nickte Chen zu.
Chen legte das Manuskript vor Bao auf das Bett. »H a ben Sie gewußt, daß Yin dieses englische Manuskript in ihrem Besitz hatte?«
»Nein«, sagte Bao. »Aber ich habe immer wieder da r über nachgedacht. Meine Mutter vermutete so etwas. Sie hat ihren Onkel Yang nie kennengelernt.«
»Sollen wir ihn jetzt aufs Präsidium bringen?« fragte Yu.
»Ja. Ich habe vom Restaurant aus den Kleinen Zhou angerufen. Er sagte, er kann um ein Uhr mit dem Dienstwagen hiersein . Vielleicht wartet er schon.«
Sie brachten Bao hinunter, und da stand auch bereits der Kleine Zhou mit dem
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