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Schwarz auf Rot

Schwarz auf Rot

Titel: Schwarz auf Rot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Qiu Xiaolong
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Und was war das für eine B e ziehung? Nicht einmal verheiratet waren die beiden g e wesen.
    Er, Bao, war Yangs einziger rechtmäßiger Erbe.
    Zunächst zögerte Bao, an sie heranzutreten; schlie ß lich hatte er schriftlich erklärt, das zu unterlassen. Und vermutlich wäre der Versuch ohnehin zwecklos. Doch als er dann von ihren Reiseplänen nach Hongkong hörte, kam ihm eine Idee. Zu jener Zeit waren Reisende, die aus dem Ausland einschließlich Hongkong zurückkeh rten, zum Kauf gewisser Importgü ter, etwa eines japanischen Fernsehers oder einer amerikanischen Stereoanlage, b e rechtigt. Wer diese Möglichkeit nicht für sich selbst nut z te, konnte die Berechtigung auf dem Schwarzmarkt g e winnbringend verkaufen. Bao nahm an, daß Yin in ihrem tingzijian keinen Platz für einen Fernsehapparat hatte und noch viel weniger den Mumm, ihren Berechtigung s schein auf dem Schwarzmarkt zu verhökern. Er hatte also vor, sie um die Überlassung ihres Scheins zu bitten.
    Er rief sie an, doch noch bevor er sein Anliegen darl e gen konnte, wurde sie ärgerlich und drohte mit der Pol i zei, falls er noch einmal die Gasse betreten sollte. Da r aufhin paßte er sie in der Universität ab, weil er sich dachte, eine Dozentin würde vor den Augen ihrer Koll e gen keine Szene machen und Dinge aus ihrem Privatl e ben preisgeben wollen. Er schwindelte sich am Pförtner vorbei, indem er angab, ein ehemaliger Student von ihr zu sein, und fand sie schließlich allein in ihrem Büro.
    »Wenn du den Schein selbst nicht nutzt, dann verlierst du doch nichts, wenn du ihn mir überläßt«, erklärte er ihr in vernünftigem Ton. »Als Yangs einziger Großneffe bitte ich dich, mir zu helfen.«
    »Ach weißt du«, sagte sie, nachdem sie ihn eingehend gemustert hatte, »ich spare selbst seit einer Weile auf einen Farbfernseher, aber der Schein ist nur ein halbes Jahr gültig. Du kannst mich ja in zwei Monaten noch mal anrufen. Wenn ich bis dahin das Geld nicht beisamme n habe, kannst du ihn haben.«
    Keine direkte Zurückweisung. Yin stand demonstrativ auf. »Jetzt mußt du aber gehen, in zehn Minuten beginnt mein Unterricht. Ich bringe dich nach unten.«
    Doch bevor sie ihn zum Ausgang begleiten konnte, kamen zwei Studentinnen mit ihren Heften auf sie zu.
    »Von hier aus kennst du ja den Weg«, sagte sie zu ihm.
    Er kannte sich aus, doch dann hörte er etwas, das ihn stutzen ließ, und er versteckte sich hinter einer Zemen t säule.
    »Professor Yin, sicher erinnern Sie sich noch an mich«, flötete eines der Mädchen. »Sie haben mich vor zwei Jahren unterrichtet. Damals sagten Sie, ich sei Ihre Lieblingsstudentin. Und jetzt brauche ich Ihre Hilfe. Könnten Sie mir eine Empfehlung schreiben, wenn Sie demnächst in den Staaten sind?«
    Aus dem Erlauschten schloß er, daß Yin in zwei M o naten längst weit weg in den Vereinigten Staaten sein würde. Ihr Versprechen war also wertlos.
    Je länger er darüber nachdachte, desto wütender wurde er. Aus seiner Sicht war auch ihre Chance, ins Ausland zu gehen, allein aus der Beziehung zu Yang entstanden. Er beschloß zu handeln, bevor es zu spät war.
    Er erinnerte sich, daß sie ihren Schlüsselbund am Schloß ihres Schreibtisches hatte hängen lassen, als sie ihn hinauskomplimentiert hatte. Sie hatte nicht hinter sich abgeschlossen, weil in dem Moment einer ihrer Ko l legen hereingekommen war. Er schlich zurück zu ihrem Büro. Der Kollege war nicht mehr da und die Tür nach wie vor nicht verschlossen. Niemand hatte ihn den Raum betreten sehen, aber seine Suche in ihrer Schreibtisc h schublade erbrachte nichts.
    Das einzig Brauchbare waren ein paar Münzen in e i ner Plastikdose. Doch dann fiel ihm auf, daß an dem Schlüsselbund auch die Schlüssel zum Hintereingang des shikumen und zu ihrem Zimmer hingen. Das brachte ihn auf eine Idee. Während seines damaligen Aufenthalts hatte sie selbst ihn beauftragt, Zweitschlüssel anfertigen zu lassen, damit er sich unabhängig von ihr in der Stadt bewegen konnte. Vielleicht hatte es an seinem Akzent oder an seinem ländlichen Äußeren gelegen, jedenfalls hatte der Schlüsseldienst von jedem Schlüssel zwei K o pien angefertigt und sie ihm in Rechnung gestellt. Bao hatte Yin nichts davon erzählt, um sich nicht zu blami e ren, und das Extra-Paar aus eigener Tasche bezahlt. Sp ä ter hatte er ihr nur das eine Schlüsselpaar zurückgegeben. Er hatte die beiden Schlüssel an einem Schlüsselring, den das Bild einer Tänzerin aus dem Ballett Das rote Fra u

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