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Schwarz auf Rot

Schwarz auf Rot

Titel: Schwarz auf Rot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Qiu Xiaolong
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Gourmets schwören darauf, daß die Nudeln, die am frühen Morgen gekocht werden, die besten sind.«
    »Himmel, was man über eine simple Schale Nudeln alles wissen muß!«
    Chen amüsierte sich über das verblüffte Gesicht seines Partners. »Und dann müssen Sie dort unbedingt das xiao— Schweinefleisch probieren. Diese Art Fleisch schmilzt in der Nudelsuppe geradezu dahin, ebenso auf der Zunge. Es wird in hauchdünne Scheiben geschnitten und auf e i nem Extrateller serviert. Sehr delikat und gar nicht teuer. Sie sollten am Wochenende wirklich mal hingehen.«
    »Sie hätten das Gespräch mit Herrn Ren führen sollen, Chef. Sie beide hätten sich viel zu erzählen gehabt.«
    »Ein sparsamer Gourmet«, wiederholte Chen und schob sich eine Krabbe in den Mund. »Ich weiß zwar nicht, was für ein Mensch dieser Herr Ren ist, aber Ihrer Beschreibung nach scheint er nicht länger im Schatten der Kulturrevolution zu leben.«
    Als Chen nach Hause zurückkehrte, fand er eine kurze Notiz von Weißer Wolke auf dem Tisch. »Muß jetzt le i der in die Uni. Mittagessen steht im Kühlschrank. Bitte rufen Sie an, falls Sie mich heute nachmittag brauchen.«
    Das Essen, das sie zubereitet hatte, war einfach, aber gut. Das in Reiswein marinierte Schweinefleisch hatte sie vermutlich in einem Geschäft gekauft, aber die saue r scharfen Gurkens cheiben mit grünen Glasnudeln sahen frisch zubere i tet und lecker aus. Der Reis im elektrischen Reiskocher war noch warm. Das würde ein wunderbares Abendessen werden, dachte sich Chen und machte den Kühlschrank wieder zu. Er versuchte, die Gedanken an den Fall Yin aus seinem Kopf zu verbannen. In diesem Stadium konnte man ohnehin nichts anderes tun, als we i ter ihre Nac h barn befragen. Und das tat Yu.
    Was konnte er beitragen?
    Er starrte auf die Projektbeschreibung der New World, und die Papiere starrten zurück.

8

    Qinqin hatte zu Hause angerufen und gesagt, er werde bei einem Schulfreund übernachten. Es kam nicht oft vor, daß Yu und Peiqin eine Nacht für sich hatten. Trotz se i ner Unzufriedenheit über den Fortgang der Ermittlungen war Yu entschlossen, früh mit Peiqin ins Bett zu gehen.
    Die Nacht war kalt. Sie saßen unter der Steppdecke, die Rücken gegen das mit Kopfkissen gepolsterte harte Rückteil des Bettes gelehnt. Es dauerte eine Weile, bis sich ihre Körper unter den baumwollgefütterten Decken ausreichend angewärmt hatten, um die Kälte im Raum erträglich zu machen. Seine Füße berührten die ihren; ihre Zehen waren weich, aber noch immer kalt. Er legte ihr den Arm um die Schulter.
    Im sanften Dämmer glich sie noch immer jenem Mä d chen, das damals in Yunnan die erste Nacht mit ihm auf dem kühlen, knarrenden Bambusbett verbracht hatte, b e leuchtet bloß vom flackernden Licht einer Kerze. Nur daß inzwischen ein Fischschwanz kleiner Fältchen an ihren Augenwinkeln hing.
    Doch Peiqin hatte an diesem Abend anderes im Sinn. Sie wollte ihm von Tod eines chinesischen Professors erzählen. Sie legte den Roman, versehen mit einem aus Bambus geschnitzten Schmetterling als Lesezeichen, auf die Steppdecke.
    Yu las wenig. Er hatte mehrere Anläufe mit dem Traum der Roten Kammer, Peiqins Lieblingslektüre, u n ternommen, aber jedesmal nach drei bis vier Seiten wi e der aufgegeben. Er konnte keine Verbindung herstellen zu jenen Figuren, die vor Hunderten von Jahren zusa m men in einem großen Anwesen gelebt hatten. Der einzige Grund, warum er es überhaupt versucht hatte, war Pe i qins Leidenschaft für diesen Roman. Was die Aufarbe i tung der Kulturrevolution betraf, so hatte er lediglich ein paar Kurzgeschichten gelesen, die ihm allesamt u n glaubwürdig vorgekommen waren. Wenn es in den fr ü hen sechziger Jahren tatsächlich solche weitsichtigen Helden gegeben hätte, die den Vorsitzenden Mao in Fr a ge gestellt oder ihm entgegengewirkt hätten, dann wäre es gar nicht erst zu dieser nationalen Katastrophe g e kommen.
    Nachdem er nun im Fall Yin ermittelte, schien ihm nichts anderes übrigzubleiben, als Tod eines chinesischen Professors von Anfang bis Ende zu lesen. Doch zum Glück hatte Peiqin diese Aufgabe übernommen. Sie hatte bereits ein wenig darüber erzählt und wollte ihm nun heute abend einen ausführlichen Bericht geben.
    »Was ich dir erzähle«, begann sie und zog die Beine dicht an den Körper, »mag von meiner eigenen Sichtwe i se gefärbt sein. Ich werde mich dabei auf Yang konze n trieren, da du Yins Geschichte ja bereits kennst, und n a türlich auf die

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