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Schwarz auf Rot

Schwarz auf Rot

Titel: Schwarz auf Rot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Qiu Xiaolong
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einen Stand für Lauchpfannk u chen zu eröffnen. Niemand hatte etwas dagegen, alle n falls die rücksichtslosen Motorradfahrer, die ständig durch die Gasse brausten. Auch der frischgebackene Pfannkuchenverkäufer mußte von dem Zeitungsartikel erfahren haben, denn als Yin zum ersten Mal an seinen Stand kam, weigerte er sich, Geld von ihr zu nehmen.
    Das Geschäft lief nicht schlecht. Bald stellte Lei ein Mädchen aus der Gegend an, und sie wurde schließlich seine Freundin. Auch das Angebot wurde erweitert. N e ben seinen Pfannkuchen unterhielt er einen Mittagsse r vice und bot verschiedene lokale Spezialitäten zum Mi t nehmen an. Man konnte z wischen Schweineschnitzel, Rind in Austernsoße, gebratenem Gürtelfisch oder »Ta n te Mas scharfem Tofu« wählen; alle Gerichte wurden auf Reis in einem Styroporbehälter serviert, dazu gab es eine Schale Sauerscharf-Suppe. Da er keine Miete zahlen mußte, konnte Lei günstige Preise machen, und das Ei n weggeschirr und die Wegwerfstäbchen überzeugten auch die Angestellten der nahe gelegenen neuen Bürogebäude. Leis Mittagsservice war bald in aller Munde, und die Kunden standen Schlange, um ihre Bestellungen au f zugeben. Es dauerte nicht lange, bis Lei einen zweiten Herd installierte und zwei weitere Hilfskräfte aus der Provinz anstellte.
    »Im Unglück liegt immer schon das Glück begründet und im Glück das Unglück. Das sagte Laozi schon vor Hunderten von Jahren in seinem Dao De fing«, komme n tierte Alter Liang. »Und es trifft noch immer zu, sogar für unseren Lei hier aus der Gasse.«
    »Jemand, der eine neue Freundin und eine gute G e schäftsidee hat«, unterbrach ihn Yu, »wird doch wohl kaum seine Nachbarin umbringen.«
    Aber das ließ Alter Liang nicht gelten. »Er brauchte schließlich Geld für die Erweiterung seines Stands. Wo sollte er dieses Kapital herkriegen? Seiner Steuerrüc k zahlung zufolge deckt der Stand kaum die Unkosten.«
    »Ach, die Steuererklärung. Haben Sie schon mit ihm gesprochen?«
    »Ja. Er hat natürlich abgestritten, etwas mit dem Mord zu tun zu haben, aber er konnte nicht überzeugend darl e gen, woher er das Geld für die Erweiterung hat.«
    »Und wie steht es mit seinem Alibi?«
    »Lei heizt immer etwa um halb sechs seine Herde an. Mehrere Leute haben ihn an jenem Morgen gesehen.«
    »Er hat also ein solides Alibi.«
    »Nicht unbedingt. Meines Erachtens können wir ihn noch nicht von der Liste streichen. Er könnte für einige Minuten ins Gebäude gegangen sein, ohne daß ihn j e mand bemerkte. Er l agert fast alle seine Vorräte im Hof oder in seinem Zimmer und läuft ständig hin und her.«
    »Das wäre möglich«, sagte Yu. »Aber eigentlich sollte er Yin doch dankbar sein. Ihr Artikel hat sein Leben ve r ändert.«
    »Dankbar? Ein solcher Mensch? Da liegen Sie falsch.« Alter Liang schüttelte mit Nachdruck den Kopf. »Und da ist noch etwas anderes. Er ist der einzige unter den Nachbarn, der gelegentlich ihr Zimmer betreten hat, dann nämlich, wenn er ihr Essen brachte. Der Himmel weiß, was er bei dieser Gelegenheit entdeckt hat.«
    »Sie haben recht, Alter Liang. Ich werde mit ihm r e den«, sagte Yu. »Und wer ist der nächste Kandidat auf unserer Liste?«
    »Er heißt Cai. Und eigentlich ist er gar kein Anwo h ner. Wir haben, wie Sie sehen, auch Auswärtige zu b e rücksichtigen.«
    »Gut, aber warum haben Sie ihn auf die Liste g e setzt?«
    »Das ist ebenfalls eine lange Geschichte.« Alter Liang zündete eine Zigarette für Yu und eine für sich selbst an. »Cai ist Xiuzhens Mann. Sie und ihre Mutter Lindi wo h nen zusammen mit dem Bruder Zhengming in einem Raum am Ende des Nordflügels. Als Cai und Xiuzhen heirateten, führte er ein paar private Hotels im Bezirk Jinan, und er sprach ständig davon, ein Luxusapartment zu kaufen.«
    »Dann war er also einer von den Neureichen«, sagte Yu.
    »Mag sein, damals zumindest. Xiuzhen war gerade mal neunzehn. Die meisten glaubten, sie hätte eine gute Partie gemacht, auch wenn Cai achtzehn Jahre älter war als sie und schon einmal wegen Glücksspiels im Gefän g nis gesessen hatte. Ihre Hochzeitsnacht verbrachten sie in einer Suite seines Hotels; er wohnt nämlich zusammen mit seiner Mutter in den Slums von Yangpu. Danach e r klärte Xiuzhen den Nachbarn, Cai sei zu beschäftigt, um ein Apartment zu suchen.
    Doch es stellte sich heraus, daß nicht alles so rosig war, wie er es dargestellt hatte. Die Hotels waren in ü b lem Zustand, hoch verschuldet, und sie war bereits

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