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Schwarz-Indien

Schwarz-Indien

Titel: Schwarz-Indien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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Züge, große, sanfte Augen, ein volles, mehr
    bräunliches als blondes Haar und liebenswürdiges Wesen,
    alles vereinigte sich, ihn zum vollendetsten Typus des Low-
    landers, das heißt des besten Schlags der Niederlandschot-
    ten zu stempeln. Durch die harte Arbeit im Kohlenberg-
    werk von sehr jungen Jahren an gestählt, war er nicht nur
    ein treuer Gefährte, sondern auch eine reine, unverdorbene
    Natur. Teils geleitet von seinem Vater, teils getrieben von
    eigenem Drang hatte er immer fleißig gearbeitet und sich
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    Kenntnisse zu sammeln gewußt, so daß er in dem Alter, wo
    man sonst meist selbst noch Lehrling ist, schon einen unter-
    richtete und anlernte, was von um so größerer Bedeutung
    ist in einem Land, wo es infolge seines hochausgebildeten
    Schulwesens nur wenig Ungebildete gibt. Kam die ersten
    Jahre auch die Spitzhaue nicht aus Harry Fords Händen, so
    wußte der junge Bergmann doch, sich die nötige Fortbil-
    dung zu verschaffen, die ihm den Eintritt in die Hierarchie
    der Kohlengrube ermöglichte, und er wäre unzweifelhaft
    zum Nachfolger seines Vaters als Obersteiger an der Grube
    Dochart aufgerückt, wenn sie nicht hätte aufgegeben wer-
    den müssen.
    James Starr war ein guter Fußgänger, und doch ver-
    mochte er seinem Führer nur dadurch zu folgen, daß der
    seine Schritte mäßigte.
    Der Regen fiel jetzt weniger heftig. Die großen Tropfen
    zerstäubten sich, bevor sie die Erde erreichten. Es waren ei-
    gentlich nur noch schwere Dunstmassen, die von einer fri-
    schen Brise getrieben über den Erdboden dahinjagten.
    Harry Ford und James Starr – der junge Mann trug das
    leichte Gepäck des Ingenieurs – folgten etwa eine Meile
    weit dem linken Ufer des Flusses mit all seinen zahlreichen
    Windungen und Bögen und schlugen dann einen Weg über
    Land ein, der sie unter großen, noch vom Regen tropfen-
    den Bäumen dahinführte. Zu beiden Seiten des Weges la-
    gen um abgeschlossene Meiereien üppige Wiesen und Wei-
    den. Vereinzelte Herden labten sich am immergrünen Gras
    der niederen Landschaften Schottlands. Sie bestanden meist
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    aus Kühen ohne Hörner oder kleinen Schafen mit seiden-
    weicher Wolle, die fast den Schäfchen aus den Spielsachen
    der Kinder gleichen. Einen Schäfer sah man dabei nicht, er
    mochte irgendwo Schutz vor dem Wetter gesucht haben,
    wohl aber trabte der Collie, ein diesen Gegenden des Verei-
    nigten Königreichs eigentümlicher und durch seine Wach-
    samkeit berühmter Hund, fleißig um seine Pflegebefohle-
    nen herum.
    Der Yarow-Schacht lag ungefähr 4 Meilen von Callan-
    der entfernt. In James Starr regten sich, während er rüstig
    weiterschritt, recht seltsame Gefühle. Seit dem Tag, da die
    letzten Tonnen Steinkohlen aus den Bergwerken von Aber-
    foyle in die Waggons der Eisenbahn nach Glasgow verladen
    wurden, hatte er das Land nicht wiedergesehen. Jetzt war
    das ländliche Gewerbe an die Stelle der geräuschvolleren,
    schneller beweglichen Industrie getreten. Der Kontrast er-
    schien um so auffallender im Winter, wo die Feldarbeiten so
    gut wie ganz ruhten. Früher belebte die bergmännische Be-
    völkerung diese Gegend zu jeder Jahreszeit über und unter
    der Erde. Tag und Nacht rasselten die schweren Kohlenwa-
    gen vorüber. Die jetzt unter ihren verfaulten Schwellen be-
    grabenen Schienen knarrten unter der Last dieser Waggons.
    Jetzt traf man nur auf steinige oder erdige Straßen, wo sich
    früher die Tramways von den Gruben aus hinzogen. James
    Starr glaubte durch eine Wüste zu wandern.
    Der Ingenieur sah sich mit betrübten Augen um. Er blieb
    stehen, um Atem zu schöpfen. Er lauschte. Jetzt zitterte die
    Luft nicht mehr von dem fernen Pfeifen und keuchenden

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    Atem der Dampfmaschinen. Am Horizont mischte sich nir-
    gends der von dem Industriellen so gern gesehene schwarze
    Dampf mit den dicken Wolken des Himmels. Kein hoher
    zylindrischer oder prismatischer Schornstein sandte seine
    Rauchsäulen empor neben einem Bergwerk, aus dem er
    selbst seine Nahrung schöpfte, kein Abblaserohr hauchte
    hörbar den ausgenutzten Dampf in die Lüfte. Der früher
    vom Kohlenstaub beschmutzte Erdboden hatte jetzt ein
    reinlicheres Aussehen, an das sich James Starrs Augen gar
    nicht gewöhnen konnten.
    Als der Ingenieur stehenblieb, hielt auch Harry Ford sei-
    nen Schritt an. Der junge Bergmann wartete, ohne ein Wort
    zu sprechen. Er fühlte recht gut, was jetzt im Innern des In-
    genieurs vorgehen mochte, und teilte diese

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