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Schwarz-Indien

Schwarz-Indien

Titel: Schwarz-Indien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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schmerzlichen
    Gefühle – er, ein Kind der Kohlengrube, dessen ganze Ju-
    gend in der Tiefe der Erde verflossen war.
    »Ja, Harry«, begann James Starr, »hier hat sich alles sehr
    verändert. Und doch, es mußte ja so kommen, da diese Koh-
    lenschätze einmal zu Ende gingen. Du denkst mit Schmer-
    zen an diese Zeit!«
    »O ja, gewiß Mr. Starr«, erwiderte Harry Ford. »Die Ar-
    beit war hart, aber interessant wie der Kampf.«
    »Richtig, mein Sohn! Es war der Kampf in jedem Augen-
    blick, der Kampf mit der Gefahr des Einsturzes, der Feuers-
    brunst, der Überschwemmung, der schlagenden Wetter, die
    ihre Opfer treffen wie der Blitz! Dem galt es eine mutige
    Stirn zu bieten! Oh, du hast recht, das war ein Kampf, ein
    ewig aufregendes Leben!«
    — 44 —
    »Die Bergleute von Alloa haben ein besseres Los gezogen
    als die von Aberfoyle, Mr. Starr.«
    »Jawohl, Harry«, antwortete der Ingenieur.
    »Oh, es ist wirklich zu bedauern«, fuhr der junge Mann
    lebhaft fort, »daß nicht der ganze Erdball über und über
    aus Steinkohle besteht! Das wäre doch ein Vorrat für einige
    Millionen Jahre!«
    »Sicher, Harry, man muß aber doch zugeben, daß die Na-
    tur sehr weise gehandelt hat, unseren Planeten hauptsäch-
    lich aus Sandstein, Kalk und Granit, das heißt aus unver-
    brennlichen Stoffen zu bilden.«
    »Sie wollen damit doch nicht sagen, Mr. Starr, daß die
    Menschen zuletzt den ganzen Erdball verbrannt hätten?«
    »Bestimmt, mein Sohn«, antwortete der Ingenieur. »Die
    Erde wäre bis zum letzten Stück in die Dampfkessel der Lo-
    komotiven, Lokomobile, Dampfschiffe und Gasanstalten
    gewandert und dabei wäre unsere Welt dereinst zugrunde
    gegangen.«
    »Das ist nicht mehr zu befürchten, Mr. Starr, dennoch
    werden wenigstens die Steinkohlen, und vielleicht schneller
    als die Statistiker jetzt ausrechnen, zu Ende gehen.«
    »Ohne Zweifel, Harry, und meiner Ansicht nach tut Eng-
    land sehr unrecht daran, sein Brennmaterial gegen das Gold
    anderer Nationen einzutauschen.«
    »Wahrhaftig«, bestätigte Harry.
    »Ich weiß sehr gut«, fuhr der Ingenieur fort, »daß die
    Hydraulik und die Elektrizität ihr letztes Wort noch nicht
    gesprochen haben, und daß man diese beiden Kräfte einst
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    noch vorteilhaft nutzen wird. Doch wie dem auch sei, die
    Steinkohle gestattet eine so bequeme Anwendung und
    deckt so unterschiedliche Bedürfnisse der Industrie. Lei-
    der vermögen die Menschen sie nicht nach Belieben wieder
    zu erzeugen. Wenn die Wälder der Erdoberfläche sich mit
    Hilfe der Wärme und des Wassers immer wieder ersetzen,
    so ist das doch mit den Wälderlagern des Erdinnern nicht
    der Fall, und unser Planet wird voraussichtlich niemals wie-
    der die Bedingungen bieten, die zu ihrer Bildung unerläß-
    lich sind.«
    Immer weiter plaudernd, schritten James Starr und sein
    Begleiter wieder rüstig vorwärts. 1 Stunde, nachdem sie Cal-
    lander verlassen hatten, kamen sie bei der Grube Dochart
    an.Selbst ein ganz Unbeteiligter würde von dem trauri-
    gen Anblick des verlassenen Betriebs unangenehm berührt
    worden sein. Er schien nur noch das Skelett dessen zu sein,
    was es bei Lebzeiten gewesen war.
    Innerhalb eines weiten, von einigen mageren Bäumen
    eingefaßten Vierecks bedeckte noch immer der Staub des
    mineralischen Brennstoffs den Boden, aber nirgends lagen
    mehr Schlacken oder Kohlenstückchen umher. Alles war
    weggeschafft und vor langer Zeit verbraucht worden.
    Auf einem mäßigen Hügel erhob sich noch ein großes
    mehrstöckiges Gerüst, an dem die Sonne und der Regen
    nagten. Darüber sah man ein großes eisernes Rad, und dar-
    unter die großen Trommeln, um die früher die Taue liefen,
    welche die Kohlenkasten zu Tage förderten.
    — 46 —
    In dessen unterer Etage befanden sich jetzt verfallene
    Räume für die Maschinen, deren Stahl- und Kupferteile
    früher so hell und munter glänzten. Einige Mauerreste la-
    gen da und dort auf der Erde inmitten zerbrochener und
    nach und nach mit Moos bewachsener Balken. Reste des
    Balanciers, an denen die Stangen der Saugpumpen befes-
    tigt waren, geborstene und mit Schmutz gefüllte Stopfbüch-
    sen, Getriebe ohne Zähne, umgestürzte Schaukelapparate,
    vereinzelte Sprossen an den Strebebalken, hervorstehend
    wie die Dornenfortsätze an den Rückenwirbeln eines Ich-
    thyosaurus, Schienen über einem halb zusammengebroche-
    nen Viadukt, den nur noch zwei oder drei baufällige Pfei-
    ler stützten, Pferdebahngleise, die kaum noch das Gewicht
    eines

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