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Schwarz-Indien

Schwarz-Indien

Titel: Schwarz-Indien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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Entzündung schlagender Wetter in der
    kohlenleeren Grube doch nicht mehr zu befürchten ist?«
    »Jawohl, Mr. James, aus Vorsicht!«
    »Möchten Sie mich nicht auch in eine Bergmannsbluse
    stecken, mein wackerer Simon?«
    »Noch nicht, Mr. James, noch nicht«, erwiderte der alte
    Obersteiger, dessen Augen ganz eigentümlich erglänzten.
    Harry, der in das Haus zurückgegangen war, erschien
    eben wieder mit drei Sicherheitslampen.
    Er überreichte die eine dem Ingenieur, seinem Vater die
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    zweite und behielt die dritte selbst in der linken Hand, wäh-
    rend er mit der rechten einen langen Stock ergriff.
    »Nun denn, vorwärts«, mahnte Simon Ford, und rüstete
    sich mit einer tüchtigen Spitzhaue aus, die neben der Tür
    des Cottage lag.
    »Vorwärts«, wiederholte der Ingenieur. – »Auf Wieder-
    sehen, Madge.«
    »Gott sei mit Euch!« sagte die alte Schottin.
    »Etwas Abendbrot, Frau, hörst du«, rief Simon Ford zu-
    rück; »wir werden Hunger haben, wenn wir zurückkom-
    men, und deinem Imbiß alle Ehre antun!«
    6. KAPITEL
    Einige unerklärliche Erscheinungen
    Es ist bekannt, wieviel in den bergigen und ebenen Teilen
    Schottlands noch Aberglaube herrscht. In gewissen Clans
    lieben es die Gutsbesitzer und Bauern, wenn sie des Abends
    zusammenkommen, sich durch die Erzählungen aus der hy-
    perboreischen Mythologie zu unterhalten. Obwohl für die
    Bildung des Volks in diesem Land sehr freigebig und in aus-
    gedehntem Maß gesorgt wird, so hat diese jene Legenden
    doch noch nicht zu dem, was sie sind, das heißt zu Fiktio-
    nen zurückzuführen vermocht, so fest scheinen sie mit dem
    Boden des alten Kaledoniens gleichsam verwachsen zu sein.
    Hier ist noch immer das Reich der Geister und Gespens-
    ter, der Kobolde und Feen. Da erscheinen böse Geister in

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    den verschiedensten Formen; der ›Seer‹ des Hochlands, der
    durch ein zweites Gesicht bevorstehende Todesfälle ankün-
    digt; der ›May Moullach‹, der sich in der Gestalt eines jun-
    gen Mädchens mit behaarten Armen zeigt, und den durch
    ein Unglück bedrohten Familien das meldet; die Fee ›Bran-
    schie‹, ebenfalls eine Verkünderin trauriger Ereignisse; die
    ›Brawnies‹, die als Beschützer des Hausrats angesehen wer-
    den, der ›Urisk‹, der hauptsächlich an den wildromanti-
    schen Schluchten des Katrine-Sees sein Wesen treibt – und
    noch viele andere. Es versteht sich von selbst, daß die Ar-
    beiterbevölkerung der schottischen Kohlenbergwerke ihren
    Beitrag zu den Legenden und Fabeln dieses mythologischen
    Repertoires lieferte. Wenn die Berge des Hochlands von gu-
    ten oder bösen chimärischen Wesen belebt waren, so muß-
    ten doch die finsteren Kohlengruben mit noch weit größe-
    rem Recht bis in ihre letzten Tiefen von ihnen bewohnt sein.
    Wer sollte denn in stürmischen Nächten die Erdschichten
    erschüttern; wer führte die suchende Spitzhaue zu noch un-
    ausgebeuteten Adern; wer entzündete die schlagenden Wet-
    ter und erregte jene furchtbaren Explosionen, wenn nicht
    irgendein Berggeist?
    Das war zumindest die ganz allgemein verbreitete An-
    schauung unter den abergläubischen Schotten. Der größte
    Teil der Bergleute glaubte wirklich bei rein physikalischen
    Erscheinungen viel lieber an etwas Geisterhaftes, und es
    wäre verlorene Mühe gewesen, die Leute davon abzubrin-
    gen. Wo hätte sich auch die Leichtgläubigkeit besser entwi-
    ckeln können als in den stillen Tiefen dieser Abgründe?
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    Selbstverständlich mußten sich solche übernatürlichen
    Ereignisse in den Bergwerken von Aberfoyle, die gerade in-
    mitten jener sagenreichen Gegenden lagen, mehr als ander-
    wärts abspielen.
    Es war das auch wirklich schon länger der Fall, als in der
    neuesten Zeit noch verschiedene, bisher unerklärliche Er-
    scheinungen hinzutraten, die der Leichtgläubigkeit der gro-
    ßen Menge nur neue Nahrung zuführten.
    Zu den abergläubischsten Leuten in der Grube Dochart
    gehörte Jack Ryan, Harrys Arbeitskollege. Dieser hatte auch
    noch ein anderes Interesse an allem Übernatürlichen. Er
    schuf sich seine Lieder aus jenen phantastischen Geschich-
    ten, mit deren Vortrag er an den langen Winterabenden den
    lautesten Beifall seiner Zuhörer gewann.
    Jack Ryan war aber nicht allein so abergläubisch. Seine
    Kameraden bestätigten alle, daß es in den Gruben von
    Aberfoyle nicht geheuer war und sich hier, genau wie in
    den Hochlanden, häufig geisterhafte Wesen zeigten. Wenn
    man die Leute so

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