Schwarz-Indien
James!« rief er mit einer Stimme, daß
es von den Schieferfelsen widerhallte. »Seien Sie hochwill-
kommen in dem Cottage des alten Obersteigers. Wenn es
auch 1.500 Fuß unter der Erde liegt, so ist das Haus der Fa-
milie Ford doch deshalb nicht weniger gastfreundlich.
»Wie geht es Euch, wackerer Simon«, fragte James Starr
und drückte seinem Wirt die Hand.
»Ganz gut, Mr. Starr. Wie sollte es denn anders sein, hier,
wo wir vor jeder Unbill der Witterung gesichert leben? Ihre
Dämchen da oben, die nach Newhaven oder Portobello ge-
hen, um dort während des Sommers etwas Luft zu schnap-
pen, täten besser, ein paar Monate in den Gruben von Aber-
foyle zuzubringen. Hier würden sie sich keinen Schnupfen
holen, wie in den feuchten Straßen der Hauptstadt.«
»Ich widerspreche Euch darin gewiß nicht«, antwortete
James Starr, erfreut, den alten Obersteiger noch unverän-
dert wiederzutreffen. »Wahrlich, ich möchte mir die Frage
stellen, warum ich mein Haus in der Canongate nicht gegen
ein Cottage hier in der Nähe der Eurigen vertauscht habe.«
»Zu dienen, Mr. Starr. Einen von Ihren früheren Berg-
leuten kenne ich, der ganz entzückt darüber wäre, zwischen
sich und Ihnen nur eine dünne Scheidewand zu wissen.«
»Und Madge?« fragte der Ingenieur.
»Der guten Frau geht es wenn möglich noch besser als
mir!« erklärte Simon Ford. »Sie wird hocherfreut sein, Sie
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an ihrem Tisch zu sehen. Sie wird sich wohl selbst übertrof-
fen haben, um Sie gebührend zu empfangen.«
»Nun, nun, wir werden’s ja sehen, Simon«, sagte der Inge-
nieur, dem übrigens nach dem langen Weg die Aussicht auf
ein gutes Frühstück recht gelegen kam.
»Haben Sie etwas Hunger, Mr. Starr?«
»Gewiß, die Reise hat mir Appetit gemacht. Ich bin
durch ein abscheuliches Wetter gekommen.«
»Ah, so, es regnet wohl da oben!« bemerkte Simon Ford
mitleidig lächelnd.
»Ja, Simon, und die Wellen des Forth sind heute ebenso
unruhig wie die eines Meeres.«
»Tja, Mr. James, hier bei mir regnet es niemals! Ihnen
brauche ich diese Vorteile ja nicht auszumalen. Da sind wir
an dem Cottage. Nochmals heiß’ ich Sie herzlich willkom-
men!«
Simon Ford, dem Harry nachfolgte, ließ James Starr in
die Wohnung eintreten. Sie bestand in der Hauptsache aus
einem geräumigen Saal, den mehrere Lampen erhellten und
von dem die eine an dem angestrichenen Deckbalken hing.
Die schon mit einem sauberen Tuch bedeckte Tafel in
der Mitte des Raums schien nur auf die Gäste zu warten, für
die vier lederüberzogene Stühle bereitgestellt waren.
»Guten Tag, Madge«, sagte der Ingenieur.
»Guten Tag, Mr. James«, erwiderte die wackere Schottin
aufstehend, um ihren Gast zu empfangen.
»Es freut mich so sehr, Sie wiederzusehen, Madge.«
»Es ist wohl stets eine Freude, Mr. James, Leute wieder-
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zusehen, denen man sich immer gütig und wohlwollend er-
wies.«
»Die Suppe wartet, Frau«, fiel Simon Ford ein. »Wir dür-
fen sie nicht warten lassen und Mr. James noch weniger. Er
bringt einen Bergmannshunger mit und soll sich überzeu-
gen, daß unser Junge es dem Cottage an nichts fehlen läßt.
Da fällt mir ein, Harry«, fügte der alte Obersteiger an sei-
nen Sohn gerichtet hinzu, »Jack Ryan war hier, dich zu be-
suchen.«
»Ich weiß, Vater, wir sind ihm im Yarow-Schacht begeg-
net.«
»Er ist ein guter, lustiger Kamerad«, sagte der alte Simon.
»Aber es scheint ihm da oben zu gefallen, er hat kein richti-
ges Bergmannsblut in den Adern. Nun zu Tisch, Mr. James,
wir wollen tüchtig frühstücken, denn möglicherweise dürf-
ten wir erst spät zum Essen zurückkommen.«
Als der Ingenieur sich mit den anderen schon niederlas-
sen wollte, nahm er nochmals das Wort.
»Einen Augenblick, Simon«, begann er; »wünscht Ihr,
daß ich recht nach Herzenslust zulange.«
»Das wird uns die größte Ehre sein, Mr. James«, antwor-
tete Simon Ford.
»Nun gut, so darf keine Ungewißheit auf mir lasten. Ich
muß Ihnen vorher zwei Fragen stellen.«
»Bitte fragen Sie, Mr. James.«
»Ihr Brief verspricht mir eine für mich interessante Mit-
teilung?«
»Gewiß wird sie das sein.«
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»Für Euch?«
»Für Sie und für mich, Mr. James, doch möchte ich Sie
Ihnen erst nach dem Essen und an Ort und Stelle offenba-
ren.«
»Simon«, fuhr der Ingenieur fort, »seht mich richtig an
... so ... genau in die Augen. Eine interessante Mitteilung?
... Ja! ... Gut! ... Ich frage
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