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Schwarz-Indien

Schwarz-Indien

Titel: Schwarz-Indien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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Kriegs der Prätendenten
    fürchtete, es könnten sich die 20.000 Bergleute von New-
    castle empören, um eine Freiheit zu erringen – die sie nicht
    zu besitzen glaubten.
    Doch wie dem auch sei, jedenfalls zählte sich Simon Ford
    mit einem gewissen Stolz zu den Kohlenbergleuten Schott-
    lands. Er hatte mit eigener Hand genau dort gearbeitet, wo
    seine Vorfahren einst Haue, Zange und Axt handhabten.
    Mit 30 Jahren schon schwang er sich zum Obersteiger der
    Grube Dochart, der bedeutendsten unter den Bergwerken
    von Aberfoyle, empor und versah lange Jahre hindurch sei-
    nen Dienst mit unermüdlichem Eifer. Nur der eine Kum-
    mer bedrückte ihn, daß die Kohlen führenden Schichten
    ärmer wurden und eine vollständige Erschöpfung in nahe
    Aussicht stellten.
    Eifrig widmete er sich der Aufsuchung neuer Adern in
    allen Gruben von Aberfoyle, die ja in unterirdischer Ver-
    bindung standen, und hatte auch das Glück, im Lauf der
    letzten Betriebsjahre einige zu entdecken. Sein bergmän-
    nischer Instinkt leistete ihm dabei die besten Dienste, und
    der Ingenieur James Starr wußte ihn recht gut zu schätzen.
    Man könnte sagen, er prophezeite fast die Kohlenadern in
    der Tiefe, wie das Hydroskop etwa die Quellen unter dem
    Erdboden verrät.
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    Doch, wie gesagt, es kam die Zeit, da es mit den Vorräten
    der Kohlengrube zu Ende ging. Alle Sondierungen ergaben
    nur negative Resultate. Die Adern waren ihres Inhalts total
    entleert. Der Betrieb stockte. Die Bergleute verschwanden.
    Sollte man wohl glauben, daß das für deren größten Teil
    ein wahrhaft erschütterndes Ereignis war? Wer da weiß, daß
    der Mensch im Grunde die gewohnte Not und Sorge liebt,
    wird darüber weniger erstaunen. Simon Ford ging es vor
    allen tief zu Herzen. Er, ein Bergmann durch und durch,
    hing mit tausend Ketten an seiner Grube. Seit seiner Geburt
    hatte er sie bewohnt und wollte sie auch nach Einstellung
    der Arbeiten nicht verlassen. Er blieb also. Sein Sohn Harry
    erledigte alle Bedürfnisse des unterirdischen Haushalts, er
    selbst aber war in 10 Jahren kaum 10 Mal ans Tageslicht ge-
    kommen.
    »Da hinaufgehen? Was soll ich dort oben?« pflegte er zu
    sagen und verließ so gut wie niemals sein dunkles Heim.
    In dieser im übrigen ganz gesunden Umgebung mit ihrer
    immer gleichmäßigen Temperatur fühlte der alte Oberstei-
    ger weder etwas von der Hitze des Sommers, noch von der
    Kälte des Winters. Auch den Seinigen ging es gut dabei. Was
    konnte er weiter wünschen?
    Eigentlich war er aber doch recht betrübt. Er sehnte sich
    zurück nach dem Leben und der Bewegung, die früher in
    dem so eifrig betriebenen Werk herrschten. Dabei trug er
    sich immer mit einer gewissen fixen Idee.
    »Nein, nein«, wiederholte er sich hartnäckig, »die Grube
    ist noch nicht erschöpft!«
    — 64 —
    Jedermann wäre gewiß schlecht angekommen, der in
    Gegenwart Simon Fords hätte in Zweifel ziehen wollen, daß
    das alte Aberfoyle doch noch einmal von den Toten aufer-
    stehen könnte. Noch niemals hatte er die Hoffnung aufgege-
    ben, ein neues Kohlenflöz zu entdecken, das der Grube wie-
    der ihre frühere Bedeutung verleihen würde. Oh, im Notfall
    hätte er gern selbst Haue und Schlegel wieder in die Hand
    genommen, und seine alten, aber noch immer kräftigen
    Arme hätten sich an dem harten Fels versucht. So durch-
    streifte er, teils allein, teils mit seinem Sohn, die weiten Stol-
    len und Gänge, forschte und suchte, um einen Tag wie den
    andern ermüdet, aber nie verzweifelt, zu seinem Cottage zu-
    rückzukehren.
    Seine würdige Lebensgefährtin war die große und starke
    Madge, ›the good wife‹, die ›gute Frau‹, wie die Schotten zu
    sagen pflegen. Ebensowenig wie ihr Gatte hatte Madge die
    Grube verlassen wollen. Sie teilte in jeder Hinsicht dessen
    Hoffnungen und Bekümmernisse. Sie ermutigte ihn, feuerte
    ihn an und sprach immer mit einem solchen Ernst, daß ihre
    Worte das Herz des alten Obersteigers erwärmten.
    »Aberfoyle ist nur eingeschlafen, Simon«, sagte sie. »Ge-
    wiß, du hast recht. Das ist nur die Ruhe, nicht der Tod!«
    Madge fühlte ebenfalls keine Sehnsucht nach der Außen-
    welt. Alle drei kannten kein anderes Glück als ihr stilles Le-
    ben in dem dunklen Cottage.
    Hierher folgte also James Starr der an ihn ergangenen
    Einladung.
    Simon Ford erwartete den Gast vor seiner Tür und ging

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    dem früheren ›Viewer‹ entgegen, als Harrys Lampenlicht
    ihm seine Ankunft verriet.
    »Willkommen, Mr.

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