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Schwarz-Indien

Schwarz-Indien

Titel: Schwarz-Indien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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sie über die anderen und fühlte
    sich nur dann ganz ruhig, wenn sie alle, die ihrem Herzen
    teuer waren, im Cottage vereint wußte. Abends, wenn Harry
    heimkam, vermochte sie kaum eine fast närrische Freude zu
    unterdrücken, was um so mehr auffallen mußte, da sie ei-
    gentlich mehr zurückhaltender, als mitteilsamer Natur war.
    Früh stand sie regelmäßig vor allen anderen auf, und ihre
    Unruhe kehrte mit der Stunde des Aufbruchs zu den Arbei-
    ten in der Tiefe regelmäßig wieder.
    Um ihrer Ruhe willen hätte Harry gewünscht, daß ihre
    Vermählung schon zur vollendeten Tatsache geworden sei.
    Er glaubte, die Bosheit werde durch diesen unwiderruflichen
    Akt entwaffnet sein und Nell sich als seine Frau wirklich si-
    cher fühlen. James Starr ebenso wie Simon Ford und Madge
    teilten diese Ungeduld. Jeder zählte die Tage.
    In Wahrheit bedrückten alle die düstersten Ahnungen.
    Man gestand sich, daß jener verborgene Feind, den man we-
    der zu ergreifen, noch zu bekämpfen vermochte, an allem,
    was Nell betraf, ein besonderes Interesse hatte. Die feierliche
    Vermählung Harrys und des jungen Mädchens konnte also
    sehr gut die Gelegenheit abgeben, seinen Haß noch einmal
    zu betätigen.
    Eines Morgens, 8 Tage vor dem für die Hochzeit be-
    stimmten Termin, war Nell, von einem dunklen Vorgefühl
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    getrieben, zuerst von allen Bewohnern im Begriff, aus dem
    Cottage zu treten, um dessen Umgebung zu mustern.
    An der Schwelle angelangt, entfuhr ihr unwillkürlich ein
    lauter Schrei.
    Natürlich rief der die Hausgenossen herbei, und wenige
    Augenblicke danach standen auch schon Madge, Simon und
    Harry an ihrer Seite.
    Nell war bleich wie der Tod, ihr Gesicht entstellt, ihre
    Züge ein Bild des Entsetzens. Außerstande zu sprechen, hef-
    tete sich nur ihr Blick auf die Tür des Cottage, die sie eben
    geöffnet hatte, und ihre Hand wies auf folgende Zeilen, die
    während der Nacht hier angeschrieben worden waren und
    deren Anblick sie erstarren machte.
    Die Zeilen lauteten:
    »Simon Ford, Du hast mir das letzte Flöz meines Koh-
    lenbergwerks gestohlen! Harry, Dein Sohn, hat mir Nell
    geraubt! Verderben über Euch! Verderben über alle! Wehe
    ganz New Aberfoyle!
    Silfax.«
    »Silfax!« riefen Simon Ford und Madge wie aus einem
    Mund.
    »Wer ist dieser Mann?« fragte Harry, dessen Blicke sich
    einmal auf seinen Vater und dann auf das junge Mädchen
    richteten.
    »Silfax!« wiederholte Nell voller Verzweiflung, »Silfax!«
    Sie zitterte am ganzen Körper, als sie diesen Namen aus-
    sprach, während Madge sie liebevoll umfaßte und fast mit
    Gewalt in das Zimmer zurückdrängte.

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    James Starr war herbeigeeilt. Wiederholt las er die dro-
    henden Worte.
    »Die Hand, die diese Zeilen schrieb«, erklärte er dann,
    »ist dieselbe, von der jener Brief stammte, der das Gegen-
    teil von dem Eurigen enthielt, Simon! Der Mann heißt also
    Silfax! Ich sehe an Eurer Erregtheit, daß Ihr ihn kennt. Nun
    sprecht, wer ist dieser Silfax?«
    20. KAPITEL
    Der Büßer
    Dieser Name hatte für den alten Obersteiger den vollen
    Wert einer Offenbarung.
    Es war der des letzten ›Büßers‹ der Grube Dochart.
    Früher, vor der Erfindung der Sicherheitslampe, hatte
    Simon Ford diesen wilden Menschen gekannt, der unter
    Lebensgefahr Tag für Tag begrenztere Schlagwetterexplo-
    sionen hervorrief. Häufig sah er damals dieses sonderbare
    Wesen, das auf dem Grund der Gänge dahinkroch, beglei-
    tet von einem ungeheuren Harfang, einer Art riesenhafter
    Nachteule, die ihn bei seinem gefährlichen Geschäft da-
    durch unterstützte, daß sie einen brennenden Docht oft da
    hinauftrug, wohin Silfax’ Arme nicht reichten. Eines Tages
    verschwand dieser Greis und mit ihm ein kleines Waisen-
    mädchen, das im Bergwerk geboren war, und außer ihm,
    seinem Großvater, keine weiteren Angehörigen mehr besaß.
    Nell war unzweifelhaft dieses Kind. Seit 15 Jahren hatten
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    beide nun in den finsteren Abgründen gelebt, bis zu dem
    Tag, an dem Harry Nell daraus rettete.
    Ebenso von Mitleid wie von Zorn erregt, erzählte der
    alte Obersteiger nun dem Ingenieur und seinem Sohn, was
    der Anblick dieses Namens Silfax in ihm an Erinnerungen
    weckte.
    Jetzt verbreitete sich endlich Licht. Silfax war das ge-
    heimnisvolle, in den Tiefen New Aberfoyles vergeblich ge-
    suchte Wesen.
    »Ihr habt ihn also gekannt, Simon?« fragte der Ingeni-
    eur.»Gewiß«, erwiderte der Obersteiger. »Der Mann mit dem
    Harfang! Er war nicht

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