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Schwarz. Weiß. Tot.: Storys

Titel: Schwarz. Weiß. Tot.: Storys Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deon Meyer
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hingebungsvoll an die Brust drückte.

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    |87| Verschwunden
(Verslag oor’n verdwyning)
    |89| In der ersten beklemmenden Schrecksekunde glaubte Muller, es sei ein Wildbock. Sein Herzschlag stockte; er stieg auf die Bremse
     und riss fluchend das Lenkrad nach rechts.
    Ehe sie zwischen dem schulterhohen
Fynbos
auf der anderen Seite der unbefestigten Straße verschwand, brannte sich ihr flüchtiges Bild auf Mullers Netzhaut ein. Erstarrt
     blieb er ein paar Minuten sitzen, den Kopf auf das Lenkrad gelegt. Den starken Motor des Polizei-Chevys hatte er abwürgt.
     Mit geschlossenen Augen und noch immer wild klopfendem Herzen beschwor er den Anblick wieder herauf: die Rückseite eines Beines,
     der Wadenmuskel, in einer vollkommenen Rundung sprungbereit angespannt unter der sonnengebräunten Haut, ein Stück flatternder,
     geblümter Kleiderstoff, ein Arm, eine Hand, rückwärts gestreckt, lange, wehende Haare von einer unbestimmten Erdfarbe. Er
     versuchte – eine Berufskrankheit – ihre Gesichtszüge heraufzubeschwören, doch er hatte nur verschwommene Schemen vor Augen
     – eine unvollkommene Erinnerung.
    Eine ganze Weile lang saß er so da, dann blickte er wieder zu der Stelle hin, an der sie verschwunden war, sah aber nichts.
     Er ließ den Motor an, kuppelte, schaltete und fuhr weiter.
    Botrivier konnte nicht mehr weit sein.
     
    |90| Adjutantoffisier Duvenhage, der Dienststellenleiter, war ein hochgewachsener, hagerer Mann in den mittleren Jahren. Unwirsch
     sagte er: »Ihre Ermittlungen können Sie sich sparen, Luitenant. Konstabel de Beer ist desertiert. Nach Johannesburg, zu den
     Goldminen.«
    »Wie kommen Sie darauf?«, entgegnete Muller konsterniert.
    Duvenhage zuckte resigniert die Achseln. »Das Geld, die Großstadt …«
    »Hat er je so etwas erwähnt? Hat er angedeutet, dass er dorthin wollte?«
    »Das brauchte er gar nicht. Man erkennt das doch schon am Blick, an ihren Augen. Die sind alle gleich. Starren ständig aus
     dem Fenster, die Straße runter.«
    Muller seufzte. »Trotzdem muss ich einen Bericht schreiben, Adjutant. Kann ich hier irgendwo übernachten?«
    »De Beers Zimmer ist frei. Es dauert ewig, bis man hier neue Leute bekommt.«
     
    Das Zimmer, das Konstabel de Beer bewohnt hatte, lag, der Straße abgewandt, im hinteren Teil des Gebäudes. Es war kühl und
     halbdunkel.
    Muller trug seine Reisetasche hinein und warf sie auf die nackte Rosshaarmatratze. Er zog die Jacke aus und sah sich nach
     einer Möglichkeit um, sie aufzuhängen. Ein klappriger brauner Schrank lehnte an der Wand, und am Fußende des Bettes stand
     eine Blechkiste. In der Ecke befanden sich ein Tisch und ein Stuhl, und verschossene, dunkle Gardinen hingen vor dem Fenster.
    Muller hängte die Jacke über die Rückenlehne des Stuhls, |91| zündete eine Paraffinlampe an, stellte sie oben auf den Wandschrank und nahm die braune Aktenmappe aus seiner Reisetasche.
     Er setzte sich an den Tisch, nestelte am obersten Hemdenknopf und lockerte die Krawatte.
    Auf dem Deckel der Aktenmappe, über der punktierten Linie, stand:
Antonie Wentzel de Beer. Als vermisst gemeldet. Offizieller Bericht, 17. Januar 1947.
Muller schlug die Mappe auf. Darin befand sich die ursprüngliche Mitteilung Duvenhages an den Kommissaris – blaue Tinte, eine
     peinlich saubere Handschrift, abgefasst in einer altmodischen Mischung aus Niederländisch und Afrikaans, die nur noch von
     der Generation des Dienststellenleiters in amtlichen Dokumenten verwendet wurde. Duvenhage war zu folgendem Schluss gekommen:
     Nach zwei Wochen unerlaubter Abwesenheit könne man davon ausgehen, dass de Beer von seinem Posten desertiert sei. Dann gab
     es noch den Bericht der Polizeidienststelle in Patensie. Die Mutter de Beers hatte ausgesagt, ihr Sohn würde niemals desertieren.
     Verzweifelt hatte sie darauf beharrt, dem Konstabel müsse etwas zugestoßen sein.
    Muller blätterte um. Angaben zur Person: De Beer, Antonie Wentzel. Geboren am 22. August 1928. Neunzehn Jahre alt … ein halbes
     Kind noch. Muller betrachtete das Foto des vermissten Konstabels – unsicheres Lächeln, die Haare glatt und adrett zurückgekämmt,
     ein leicht schiefer Schneidezahn, die Augen klar und lebendig.
    »Wo bist du, Konstabel Antonie Wentzel?«, fragte Muller laut in die Stille des Zimmers hinein. Und er wunderte sich darüber,
     dass de Beer angeblich das Armeebettzeug und all seine Besitztümer mitgenommen haben sollte. Ins Sodom |92| und Gomorrha von Johannesburg, dieser

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