Schwarz. Weiß. Tot.: Storys
und spitz. Die Mundwinkel wiesen ein wenig nach unten; dafür schienen die vollen Lippen jederzeit zu einem
Lächeln bereit.
Den Körper unter dem gelben Stoff kannte er bereits. Wieder schlug ihm das Herz bis zum Hals.
Sie ging einen Schritt nach vorn, öffnete die Beifahrertür, glitt geschmeidig hinein und schlug die Tür wieder zu. Die Hände
legte sie auf den Schoß und richtete ihren Blick darauf.
|98| Nur das Geräusch des Motors im Leerlauf war zu hören.
»Ich habe einmal einen Leoparden gesehen«, sagte sie, ihre Stimme ein tiefes Fagott. »Dort oben, am Berg.« Sie hob die Hand,
zeigte in die Richtung und ließ die Hand wieder sinken. »Er ist das schönste von allen Tieren, denn alles an ihm stimmt. Nichts
ist überflüssig.«
Muller roch sie: ein eigenartiger, weiblicher Fynbosduft. Am liebsten hätte er die Hand ausgestreckt und ihre dicken, braunen
Haare berührt, mit einem Finger über die Haut ihres Unterarms gestreichelt. Er konnte seine Augen nicht abwenden, aus Angst,
sie könne wieder verschwinden und es gelinge ihm nicht rechtzeitig, ihr Aussehen, ihren Duft, ihre Zauberkunst tief genug
in sein Gedächtnis zu bannen.
»Weißt du, was aus Antonie de Beer geworden ist?«, fragte er leise.
Sie blickte ihn an, für den Bruchteil einer Sekunde. Ihre dunklen Augen huschten über sein Gesicht, versenkten sich in seine.
»Er steht manchmal da oben, bei den Tannen an der Kruiskloof. Dann hält er Ausschau.« Gedankenverloren wanderten ihre Augen
wieder zurück zu den Händen. »Ich vermisse ihn.« Sie strich mit beiden Händen über das Leder des Sitzes und über das Metall
und das Holz des Armaturenbretts.
Er schaltete den Motor aus. Sie öffnete die Tür.
»Möchtest du bis ins Dorf mitfahren?«
Sie war schon mit einem Bein draußen, der nackte Fuß berührte den Boden, doch mit den Händen erkundete sie noch immer die
Materialien im Wageninneren. Er dachte: |99| Ihre Hände sind genau wie ihr Körper. Wie ihr Gesicht. Makellos, perfekt proportioniert.
»Wie heißt du?«
»Millie«, sagte sie.
Dann war sie weg, geschmeidig wie eine Katze. Sie verschwand im Fynbos, genau wie gestern, und Muller blähte die Nasenflügel,
um noch den letzten Hauch ihres Duftes zu erhaschen.
Dann erst hörte er die Vögel, überwältigend laut.
An jenem Nachmittag redete er mit den Leuten im Geschäft und an der Tankstelle. Er ließ sich absichtlich Zeit, wollte sich
den Grund aber nicht eingestehen.
Am späten Nachmittag teilte er Duvenhage mit, dass er noch eine Nacht bleiben und seinen Bericht gleich hier schreiben wolle,
solange ihm noch alles frisch im Gedächtnis sei.
Er setzte sich in seinem Zimmer an den Tisch. Er schrieb langsam und systematisch, um die Zeit totzuschlagen. Auf jede Unterhaltung
und Befragung ging er ein. Er schrieb, er sei auf nichts gestoßen, was der Annahme von Adjutantoffisier Duvenhage widerspreche.
Der nächste Schritt könne nur darin bestehen, ein Foto von de Beer nach Johannesburg zu schicken, in der Hoffnung, jemand
erkenne ihn wieder.
Muller legte den Stift weg und zog seine Uhr aus der Tasche. Fünf vor acht. Er löschte die Lampe, ging ans Fenster und zog
geräuschlos und behutsam die Gardinen auf – verstohlen wie ein Dieb.
Ihr Zimmer war dunkel.
|100| Sein Gewissen lachte ihn aus. Ein Polizist, der heimlich zum Fenster hinausspähte, der seine Arbeit extra langsam erledigte,
damit er eine Nacht länger bleiben konnte – nur, um sie wiederzusehen.
Er sah sie in dem Augenblick, als sie in der Zimmertür erschien, die Lampe in der Hand. Das letzte Mal, dachte er. Das letzte
Mal im Leben, dass er sie so sehen würde. Wieder war er wie verzaubert, genau wie beim ersten Mal. Was hatte sie über die
Raubkatze gesagt? Sie war selbst eine Leopardin. Sie zog sich aus, sie wusch sich, in diesem göttlichen Rhythmus. Und als
sie fertig war, stellte sie sich wieder zum Abschied ans Fenster. Ihre Augen waren auf sein Zimmer gerichtet, und es war,
als könne sie ihn sehen, auch wenn er wusste, dass das unmöglich war.
Sie zog die Gardinen zu.
Muller blieb vor dem Fenster stehen. Er starrte auf die geschlossenen Gardinen und schmeckte sein Verlangen. Er wankte zum
Tisch, setzte sich, die Augen geschlossen. Er fühlte das Blut in seinen Schläfen pochen.
Als er die Augen wieder öffnete, fiel sein Blick auf den Namen Hester Prinsloo in seinem Bericht. Unwillkürlich verglich er
sie mit der Frau im Fenster. Mit Millie
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